Krieg in der Ukraine 222 Menschen in Kiew seit Beginn der russischen Invasion getötet
Update | Kiew/Berlin · Laut der Stadtverwaltung in Kiew sind über 200 Menschen in der ukrainischen Stadt seit Beginn der russischen Invasion getötet worden. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.
18.03., 17.13 Uhr: Stadtverwaltung: 222 Menschen in Kiew seit Beginn der russischen Invasion getötet
Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor drei Wochen sind in der Hauptstadt Kiew nach Angaben der örtlichen Behörden 222 Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien 56 Zivilisten, darunter vier Kinder, wie die Stadtverwaltung am Freitag mitteilte. Seit Beginn des Krieges am 24. Februar seien außerdem 889 Menschen verletzt worden, unter ihnen 241 Zivilisten. Unter den Verletzten waren den Angaben zufolge 18 Kinder, drei Krankenwagenfahrer und ein Notarzt.
Die Stadtverwaltung berichtete außerdem über 36 beschädigte Wohngebäude und zehn beschädigte Schulen. Die russischen Truppen wollen Kiew einkesseln und haben bereits einige Gebiete rund um die Hauptstadt unter ihre Kontrolle gebracht. Ihr Vormarsch ist nach Angaben der ukrainischen Armee aber ins Stocken geraten.
Kiew beschuldigt die russischen Streitkräfte, fast täglich Angriffe auf Wohngebiete in der Hauptstadt zu fliegen. Die ukrainischen Behörden sehen darin den Versuch, die Bevölkerung zu "terrorisieren" und die ukrainischen Soldaten zu demoralisieren.
In den vergangenen vier Tagen wurden nach Angaben der örtlichen Behörden bei Angriffen auf Wohnhäuser in Kiew insgesamt mindestens sieben Menschen getötet. In der ukrainischen Hauptstadt hatten vor dem Krieg knapp 3,5 Millionen Menschen gelebt, fast die Hälfte von ihnen hat Schätzungen zufolge seit Beginn der Invasion die Stadt verlassen.
18.03., 16.50 Uhr: Selenskyj: Noch immer Hunderte unter Trümmern in Mariupol
Zwei Tage nach dem schweren Bombenangriff auf ein Theater in der belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj noch immer Hunderte Menschen unter den Trümmern begraben. In einer Videobotschaft aus Kiew versicherte das Staatsoberhaupt am Freitag: „Trotz des Beschusses, trotz aller Schwierigkeiten werden wir die Rettungsarbeiten fortsetzen.“ Am Donnerstag seien 130 Menschen lebend aus dem Gebäude gerettet worden.
Zum Schicksal der Verschütteten gibt es kaum Informationen. Der Parlamentsabgeordnete Serhij Taruta schrieb bei Facebook, es sei noch unklar, wie viele Menschen verletzt oder getötet worden seien. Auch Retter und Bergungskräfte hätten unter Angriffen gelitten. „Viele Ärzte wurden getötet.“ Das Gebäude wurde ukrainischen Angaben zufolge durch einen gezielten russischen Bombenabwurf weitgehend zerstört. Russland macht ukrainische Nationalisten verantwortlich.
18.03., 15.14 Uhr: Ukrainischer Präsident fordert internationale Unterstützung im Krieg
Nach virtuellen Auftritten vor Abgeordneten mehrerer Länder will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am kommenden Mittwoch auch vor der französischen Nationalversammlung sprechen. "Der Krieg gegen das ukrainische Volk geht alle Völker Europas und ihre Parlamente an", erklärte die Nationalversammlung am Freitag in Paris.
Die geplante Rede per Videoschaltung folgt ähnlichen Auftritten vor den Abgeordneten des EU-Parlaments, des US-Kongresses, des britischen Unterhauses und zuletzt des Bundestags. Am Sonntag ist eine Rede per Video vor dem israelischen Parlament geplant.
Selenskyj fordert unter anderem eine Flugverbotszone der Nato für die Ukraine. Dies lehnen die westlichen Staaten jedoch ab, da es ein aktives Eingreifen der Nato in den Krieg bedeuten würde.
18.03., 12.21 Uhr: Tote und Verletzte bei Beschuss von Großstadt Kramatorsk
Beim Beschuss der Großstadt Kramatorsk im Gebiet Donezk in der Ostukraine sind den örtlichen Behörden zufolge zwei Menschen getötet und sechs verletzt worden. Pawlo Kyrylenko vom Koordinierungszentrum der Region machte die russische Armee für den Angriff verantwortlich. „Die Russen sind nicht in der Lage, einen fairen Krieg zwischen Armeen zu führen, also schießen sie immer wieder Zivilisten nieder“, teilte er am Freitag bei Telegram mit.
Kyrylenko zufolge trafen Raketen am Morgen ein Wohn- und ein Verwaltungsgebäude. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Russland bestreitet, zivile Ziele in der Ukraine anzugreifen.
18.03., 10.48 Uhr: Angriff auf ein Wohnviertel der ukrainischen Hauptstadt Kiew
Bei einem Angriff auf ein Wohnviertel der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko ein Mensch getötet und 19 verletzt worden. Unter den Verwundeten im Stadtteil Podil seien vier Kinder, sagte Klitschko am Freitag in einem Video, das er auf Telegram veröffentlichte. Russische Truppen hätten Wohnhäuser, Kindergärten und eine Schule beschossen. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Erst am Donnerstag waren im Osten von Kiew ein Mensch getötet und mehrere verletzt worden, als Behördenangaben zufolge Trümmer einer abgefangenen Rakete ein Hochhaus trafen. Die Ukraine wirft Russland vor, gezielt auch Zivilisten anzugreifen. Moskau bestreitet das.
18.03., 10.40 Uhr: Russische Armee meldet Kämpfe im Stadtzentrum der Hafenstadt Mariupol - Flugzeugwerkstatt bei Lwiw laut Bürgermeister zerstört
Moskau hat die landesweite Bombardierung der Ukraine forgesetzt und erneut ein Ziel in der westukrainischen Stadt Lwiw nahe der Grenze zu Polen angegriffen. "Mehrere Raketen schlugen in einer Fabrik ein, in der Flugzeuge repariert werden", schrieb der Bürgermeister Andrij Sadowyj am Freitagmorgen auf Facebook. Unterdessen teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit, dass seine Truppen ins Stadtzentrum der belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten vorgedrungen seien und dort gemeinsam mit ihren separatistischen Verbündeten kämpften.
Über dem angegriffenen Gebiet in der Nähe des Flughafens von Lwiw stieg eine dichte Rauchwolke auf. Zeugen berichteten von einer heftigen Explosion. Rettungskräfte seien im Einsatz, erklärte Bürgermeister Sadowyj. Lwiw ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für hunderttausende Flüchtlinge aus dem Rest der Ukraine, auch viele westliche Diplomaten gingen von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw.
Das Gebäude der Flugzeugwerkstatt bei Lwiw wurde dem Bürgermeister zufolge durch den Beschuss zerstört. Opfer gebe es bislang keine, der Betrieb sei zuvor bereits eingestellt worden.
Wie die ukrainische Luftwaffe erklärte, wurde die Gegend nach vorläufigen Informationen von vier russischen Marschflugkörpern getroffen, die aus mehreren hundert Kilometern Entfernung vom Schwarzen Meer aus abgefeuert worden waren. Zwei weitere russische Raketen seien von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen worden, bevor sie ihr Ziel erreichten.
Die Großstadt Lwiw (Lemberg) blieb bislang weitestgehend von den Kämpfen verschont. Die russische Armee hatte jedoch am Sonntag einen ukrainischen Militärstützpunkt in der Gegend nahe der Grenze zu Polen bombardiert, was den Krieg gefährlich nahe an die Nato sowie die EU heranführte.
Da die seit drei Wochen andauernde Ukraine-Offensive des russischen Staatschefs Wladimir Putin aufgrund des massiven ukrainischen Widerstands ins Stocken geraten ist, setzt Moskau zunehmend auf Luftangriffe, um die Oberhand zu gewinnen. Nach Schätzungen des US-Verteidigungsministeriums hat Russland seit Beginn des Krieges über 1000 Raketen auf ukrainische Ziele abgefeuert. Noch vor Tagesanbruch heulten auch am Freitag in Städten im ganzen Land die Alarmsirenen.
Die russische Armee setzte auch ihre Angriffe auf die belagerte Hafenstadt Mariupol im Südosten fort. Die Streitkräfte rückten zusammen mit ihren separatistischen Verbündeten aus der von Moskau anerkannten "Volksrepublik" Donezk ins Stadtzentrum vor und "bekämpfen die Nationalisten im Zentrum der Stadt", wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, mitteilte.
Im eingekesselten Mariupol bleibt die humanitäre Lage katastrophal. Die Menschen können die Stadt nicht verlassen, auch weil die Einrichtung von Fluchtkorridoren immer wieder scheitert.
Derweil ist die Zahl der Opfer nach dem Bombardement eines als Schutzort genutzten Theaters immer noch unklar. Der Bombenschutzkeller des Gebäudes habe den Beschuss überstanden und einige "Erwachsene und Kinder" seien lebend hinausgekommen, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denisowa, am Freitag. Die Arbeiten, um den Zugang zu dem Keller freizubekommen, dauerten demnach an. Schätzungen zufolge hatten etwa tausend Menschen in dem Theaterkeller Schutz gesucht.
Der ukrainische Abgeordnete Sergiy Taruta erklärte, Russlands Blockade der Stadt behindere die Rettungsbemühungen. Zwar hätten es einige Menschen aus dem zerstörten Theater hinaus geschafft. Aber die anderen, "die das Bombardement überlebt haben, werden unter den Trümmern des Theaters sterben, oder sind schon tot".
Nach ukrainischen Angaben hatte Russland das Theater in Mariupol am Mittwoch bombardiert, obwohl vor beiden Seiten des Gebäudes gut sichtbar das Wort "Kinder" auf Russisch auf den Boden geschrieben worden war. Russland wies den Vorwurf zurück, den Angriff verübt zu haben, und machte wie schon nach den Angriffen auf eine Geburtsklinik in Mariupol vergangene Woche die nationalistische ukrainische Asow-Brigade verantwortlich.
Britische Geheimdienste: Moskau hat Probleme bei Versorgung der Truppen mit Nötigstem
Moskau hat nach Einschätzung der britischen Geheimdienste angesichts seines stockenden Vormarsches in der Ukraine Probleme, die eigenen Truppen mit Lebensmitteln oder Benzin zu versorgen. Dass Russland keine Kontrolle über den Luftraum habe und sich kaum über unbefestigtes Gelände bewege, verhindere, dass die russische Armee effektiv mit dem Nötigsten versorgt werden könne, hieß es in der Nacht zum Freitag in einem Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums.
Die Gegenangriffe ukrainischer Kräfte zwängen Russland dazu, viele Soldaten dafür einzusetzen, ihre eigenen Versorgungswege zu verteidigen. Dies schwäche die russische Kampfstärke deutlich, hieß es.
18.03., 08.51 Uhr: Raketenangriffe am Flughafen von Lwiw nahe Polen gemeldet
Die Ukraine hält nach Angaben ihrer Führung auch drei Wochen nach Kriegsbeginn jene Gebiete des Landes weiter unter Kontrolle, in die russische Truppen vorzudringen versuchen. Doch auch am Freitag werden heftige Explosionen gemeldet.
Russische Streitkräfte haben nach Angaben des Bürgermeisters von Lwiw das Flughafengelände der westukrainischen Stadt nahe der grenze zu Polen angegriffen. "Raketen haben das Flughafengelände von Lwiw getroffen", schrieb Bürgermeister Andrij Sadowy am Freitagmorgen auf Facebook. Der Angriff habe den Airport nicht direkt getroffen. Über dem Gebiet stieg eine dichte Rauchwolke auf, wie ein AFP-Reporter berichtete.
Das berichtete auch der ukrainische Sicherheitsexperte Anton Heraschtschenko auf seinem Telegram-Kanal. Am Stadtrand sei Feuer und Rauch zu sehen.
Beobachtungen von Reportern britischer und polnischer Medien legten nahe, dass mehrere mutmaßlich russische Marschflugkörper am Flughafen der Stadt eingeschlagen seien.
In dem seit mehr als drei Wochen dauernden russischen Krieg gegen die Ukraine ist es in Lwiw bislang vergleichsweise ruhig geblieben, die Stadt ist voller Flüchtlinge. Bei einer Attacke auf den Truppenübungsplatz Jaworiw unweit von Lwiw am vergangenen Sonntag hatte es nach Kiewer Angaben mindestens 35 Tote und 134 Verletzte gegeben.
Zuspruch für die bedrängten ukrainischen Städte
Selenskyj wandte sich besonders an die Menschen in Mariupol, Charkiw und Tschernihiw, deren Städte belagert werden und schweren Schaden genommen haben. Sie würden nicht im Stich gelassen, versicherte er. Von der Armee bis zur Kirche tue jeder alles für die Menschen. „Ihr werdet frei sein“, versprach er.
Der Staatschef dankte zudem US-Präsident Joe Biden für dessen „neue und effektive“ Hilfe - und bat um Verständnis, dass er nicht alle Details zum Unterstützungspaket der USA preisgeben könne. Washington hatte zuletzt weitere Waffen im Wert von mehreren Milliarden Dollar zugesagt.
Nach ukrainischen Angaben setzten russische Truppen in der Nacht ihre Angriffe auf Tschernihiw fort. In Mariupol am Asowschen Meer bleibt unklar, wie viele Menschen beim Beschuss eines Theaters umgekommen sind. Der Abgeordnete Serhij Taruta schrieb auf Facebook, in den Schutzräumen des Gebäudes seien zuletzt offenbar noch mindestens 1300 Menschen gewesen. Aussagen der Abgeordneten Olga Stefanyschyna zufolge wurden gestern rund 130 Zivilisten lebend aus den Trümmern gerettet.
Kanzler Scholz: Russland ist nicht Putin
Angesichts des Kriegs gegen das Nachbarland Ukraine mahnte Bundeskanzler Scholz, Russland nicht mit Putin gleichzusetzen. „Nicht das russische Volk hat die fatale Entscheidung des Überfalls auf die Ukraine getroffen. Dieser Krieg ist Putins Krieg.“ Das sagte Scholz auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Ehren des SPD-Politikers Egon Bahr, der am Freitag 100 Jahre alt geworden wäre.
Diese Unterscheidung sei wichtig, um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Russen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufs Spiel zu setzen, betonte Scholz. „Und sie ist wichtig, um den mutigen russischen Männern und Frauen, die unter hohen persönlichen Risiken gegen Putins Angriffskrieg auf die Straße gehen, eines zu zeigen: Ihr steht nicht allein. Wir stehen an Eurer Seite.“
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk forderte, Deutschland solle als Signal wenigstens kurzfristig für ein oder zwei Monate keine russischen Energieträger kaufen. „Man kauft kein Gas, kein Öl, keine Kohle“, sagte er in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Das ist unsere Bitte an die Bundesregierung.“
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte sich in der Sendung bereit, nach dem Vorbild der Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien nach Kiew zu reisen: „Wenn es einen Beitrag leistet - ich würde immer fahren.“
USA sprechen von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine
US-Außenminister Antony Blinken warf Russland Kriegsverbrechen in der Ukraine vor, bezeichnete dies aber als seine persönliche Meinung. Er verwies auf eine ähnliche Äußerung von Präsident Biden. Absichtliche Angriffe auf Zivilisten seien ein Kriegsverbrechen. Offiziell hat die US-Regierung eine solche Einstufung bislang nicht vorgenommen. Blinken sagte aber: „Unsere Experten sind dabei, mögliche Kriegsverbrechen, die in der Ukraine begangen werden, zu dokumentieren und zu bewerten.“ Auch nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums greift das russische Militär in der Ukraine vermehrt zivile Einrichtungen an.
Das wird heute wichtig
Wegen des Kriegs in der Ukraine will Biden heute mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping telefonieren. China ist der wichtigste Verbündete Russlands, lässt aber bei dem Angriff auf die Ukraine eine gewisse Distanz erkennen. Die Auswirkungen des tiefen Konflikts zwischen dem Westen und Moskau dürften auch die Überlegungen zu einer Nationalen Sicherheitsstrategie für Deutschland prägen. Dazu findet in Berlin eine Auftaktveranstaltung statt, bei der Außenministerin Annalena Baerbock sprechen wird. Um die Ukraine dürfte es auch bei einem Treffen von Scholz mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez gehen.
In New York nahm Russland wegen mangelnder Unterstützung im UN-Sicherheitsrat Abstand von einer Abstimmung über eine Resolution zur humanitären Lage in der Ukraine. Das mächtigste UN-Gremium soll aber am Freitag erneut zu einer Dringlichkeitssitzung wegen angeblicher US-Labore zur Produktion von Biowaffen in der Ukraine zusammenkommen - eine Behauptung, die von russischer Seite trotz fehlender Beweise immer wieder erhoben wird. Der Rat hatte sich schon einmal auf Anfrage Moskaus mit den Vorwürfen beschäftigt, die weithin als Falschinformation und haltlose Propaganda bezeichnet werden.
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