Kurden fordern im Irakkonflikt eroberte Gebiete ein

Washington/Bagdad (dpa) - Nach Erfolgen gegen die Islamistenmiliz Isis drängen die irakischen Kurden auf eine Erweiterung ihres Autonomiegebietes. Kurdenverbände („Peschmerga“) hatten bis Ende letzter Woche die Provinzen Kirkuk, Nineve und Dijala eingenommen und gegen Isis verteidigt.

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Die Peschmerga würden die Gebiete nicht verlassen, bis Bagdad Artikel 140 der irakischen Verfassung zur Anwendung bringe, zitierte die Nachrichtenseite „Al-Sumaria News“ einen kurdischen Offizier am Montag. Der Artikel der nach dem Sturz des Präsidenten Saddam Hussein durch die USA geschriebenen Verfassung sieht ein Referendum für die Kurdenregionen des Iraks vor.

Die Bevölkerung der Provinzen Kirkuk, Salaheddin, Nineve und Dijala sollen über eine Zugehörigkeit zur kurdischen Autonomieregion entscheiden. Sie werden zu großen Teilen von Kurden bewohnt, aber von Bagdad verwaltet. Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte eine Anwendung von Artikel 140 bisher verhindert.

Die USA rückten indessen von einer möglichen militärischen Zusammenarbeit mit dem Iran gegen die sunnitischen Dschihadisten im Irak ab. Das Weiße Haus, das Pentagon und das US-Außenministerium teilten am Montag übereinstimmend mit, dass es keine Pläne gebe, sich über solch ein Vorgehen mit Teheran abzustimmen. Zuvor hatte Außenminister John Kerry noch dem Portal Yahoo erklärt, er würde „nichts ausschließen, was konstruktiv wäre.“

„Wir haben die Bemerkungen von Minister Kerry gesehen“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Sicherlich sei es möglich, dass die Lage im Irak am Rande der Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran Thema werde. „Aber es gibt absolut keine Absichten und keinen Plan, militärische Handlungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran abzustimmen.“ Teheran werde aber wie alle Nachbarländer des Irak ermutigt, eine „konstruktive Rolle“ im Konflikt zu spielen.

Auch der schiitische Iran befürchtet eine Machtübernahme im schiitisch regierten Bagdad durch die radikalen Sunniten der Isis. Präsident Hassan Ruhani hat sich grundsätzlich offen für eine Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen die Isis gezeigt.

Die USA erwägten zudem Drohnenangriffe auf die Extremisten, sagte Kerry. Präsident Barack Obama prüfe aber „jede verfügbare Möglichkeit sehr genau“. Den USA sei sehr wichtig, dass der irakische Staat nicht zerfalle. Es gehe um die Stabilität der Region.

Nach einem Verband um den Flugzeugträger „George H.W. Bush“ entsandte Washington am Montag zudem das Kriegsschiff „USS Mesa Verde“ in den Persischen Golf. Es ist für amphibische Einsätze konzipiert und trägt nach Militärangaben derzeit ein senkrecht startendes Flugzeug.

Die Isis hatte vergangene Woche große Teile des Iraks eingenommen. Experten schätzen ihre Stärke auf rund 10 000 Mann. Die nominell weitaus stärkere irakische Armee begann am Wochenende eine Gegenoffensive, um mit den Peschmerga und Tausenden Freiwilligen die nördliche Millionenmetropole Mossul zurückzuerobern.

Die Gefechte der Isis und der irakischen Armee dauerten am Montag an - unter anderem in der Region Bakuba, 60 Kilometer vor den Toren Bagdads. Auch am Bagdader Flughafen gab es Gefechte.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay verurteilte am Montag die Hinrichtung hunderter irakischer Soldaten und Zivilisten durch vorrückende Isis-Kräfte. „Obwohl die Zahlen noch nicht verifiziert werden können, stellt diese systematische Serie kaltblütiger Hinrichtungen, überwiegend an verschiedenen Orten im Bereich um Tikrit, fast sicherlich ein Kriegsverbrechen dar“, sagte sie.

Den irakischen Truppen fielen nach Informationen des britischen „Guardian“ mehr als 160 Speichersticks der Islamistenmiliz mit brisanten Informationen in die Hände: Namen und Kriegsnamen aller ausländischen Isis-Kämpfer und von Isis-Anführern, Codewörter, die Initialen von Informanten in Ministerien sowie die kompletten Finanzdaten der Organisation. „Wir waren alle verblüfft, und die Amerikaner auch“, sagte ein Geheimdienstoffizier der Zeitung.

Ein Bericht der „Washington Post“ legt nahe, dass Isis der irakischen Armee Technik zur verschlüsselte Kommunikation abgenommen hat. So zeige ein auf Twitter veröffentlichtes Foto neben eroberten Waffen ein Ladegerät für den Funkempfänger PRC-153, der von US-Truppen in Afghanistan zur sicheren Kommunikation verwendet werde. Isis selbst verbreitet im Internet Bilder von erbeuteten Panzern, Geländewagen und Helikoptern.

Der britische Außenminister William Hague schloss eine britische Beteiligung an Luftschlägen gegen Isis im Irak vorerst aus. „Wir planen keine militärische Intervention des Vereinigten Königreichs in dieser Situation“, sagte Hague am Montag der BBC. Die USA hätten eher die Mittel und Möglichkeiten dazu.