Pakistaner halten USA für ihre größte Bedrohung
Islamabad (dpa) - Das Misstrauen gegen Washington hat neue Ausmaße erreicht: Mehr als ein Drittel der Pakistaner hält die USA für die größte Bedrohung ihres Landes. Fast drei Viertel der Befragten glauben nicht, dass Bin Laden Anfang Mai von US-Truppen getötet wurde.
Amerika wird in der nicht repräsentativen Befragung von 500 Pakistanern durch die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) als gefährlicher wahrgenommen als die Wirtschaftskrise, der Terrorismus oder der Erzfeind Indien.
Auf die Frage nach der größten Bedrohung für Pakistan nennen 38 Prozent die USA, gefolgt von der Wirtschaftskrise (31 Prozent) und von Terroristen (22 Prozent). Nur noch neun Prozent halten die benachbarte Atommacht Indien für die größte Gefahr. KAS-Landeschef Babak Khalatbari nannte die Ergebnisse „überraschend“.
Nach der am Montag veröffentlichten Umfrage glaubt fast jeder Dritte (31 Prozent), dass Al-Kaida-Chef Osama bin Laden noch am Leben ist. Fast drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass Bin Laden zumindest nicht bei der eigenmächtigen US-Operation Anfang Mai in der nordpakistanischen Stadt Abbottabad getötet wurde.
„72 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Personen sind der Meinung, dass er schon vorher getötet wurde, an einem Nierenleiden verstarb oder aber noch am Leben ist“, schreibt Khalatbari in seinem Bericht zur Umfrage. „Im Fall der Tötung Osama bin Ladens beschleunigte das Fehlen von Beweisen, wie zum Beispiel Bilder des Leichnams oder der Bestattung, die Legendenbildung und das Entstehen von Verschwörungstheorien.“
Angeheizt haben den Anti-Amerikanismus besonders die mit Pakistan nicht abgestimmte Operation gegen Bin Laden und der Fall des CIA-Agenten Raymond Davis. Davis hatte im vergangenen Januar auf offener Straße zwei Pakistaner erschossen und war danach unter dubiosen Umständen aus der Haft entlassen worden.
Auch die andauernden US-Drohnenangriffe werden von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Die von US-Spezialisten ferngesteuerten Flugzeuge nehmen zumeist Aufständische und Terroristen ins Visier. Immer wieder kommen aber auch Zivilisten ums Leben. Im vergangenen Jahr starben nach pakistanischen Angaben insgesamt etwa 700 Menschen bei den Angriffen. Bei der jüngste Attacke im Stammesgebiet Süd-Waziristen kamen am Montag mindestens 20 Menschen ums Leben.
Trotz allem Misstrauen sind laut der Studie zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten jedoch der Meinung, Pakistan solle die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA fortsetzen.
Ebenfalls rund zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten sagen, Pakistan solle den „Krieg gegen den Terrorismus“ weiterführen. „Die Grundhaltung gegenüber dem "War on Terror" hat sich in Pakistan grundlegend verändert“, schreibt Khalatbari. Früher seien weite Teile der Bevölkerung der Meinung gewesen, Terroristen würden nur deshalb in Pakistan zuschlagen, weil die Regierung der Atommacht sich an die Seite des Westens gestellt hatte. Inzwischen sehe sich durch den Terrorismus „die Mehrheit der Bevölkerung direkt bedroht“.
Der KAS-Landeschef schreibt, das Vertrauen der Pakistaner in die Sicherheitskräfte, das durch die Fluthilfe des Militärs zwischenzeitlich stark angestiegen war, scheine wieder abgenommen zu haben. Nur 57 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass der Sicherheitsapparat derzeit in der Lage ist, Terroristen zu bekämpfen. Deutlich mehr Vertrauen wird dagegen in die Sicherheit der Atomwaffen des Landes gesetzt. 81 Prozent der Befragten sagen, sie seien sicher.