Schweiz erlässt Haftbefehle gegen NRW-Steuerfahnder

Düsseldorf (dpa) - Die Schweizer Justiz hat Haftbefehl gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder erlassen, weil sie am Kauf einer CD mit Daten deutscher Steuerhinterzieher beteiligt gewesen sein sollen.

Sowohl NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierten das Schweizer Vorgehen scharf und nahmen die deutschen Beamten in Schutz. Zudem kritisierten sie ebenso wie die Grünen das geplante Steuerabkommen mit dem Alpenland als unzureichend. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht die laufenden Verhandlungen über das Abkommen nicht belastet.

„Die NRW-Steuerfahnder haben nur ihre Pflicht getan, deutsche Steuerbetrüger zu jagen, die ihr Schwarzgeld auf Schweizer Bankkonten geschafft haben“, sagte Kraft der „Bild am Sonntag“, die als erste über den Vorgang berichtet hatte.

Die drei Finanzbeamten sollen im Februar 2010 am Ankauf der CD mit Daten deutscher Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse beteiligt gewesen sein. Für den Ankauf sollen die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen mehr als 2,5 Millionen Euro gezahlt haben. Die CD brachte dem deutschen Fiskus nach Einschätzung der Steuergewerkschaft bis zu 900 Millionen Euro in die Kassen.

Die Schweiz wirft den drei Steuerbeamten Beihilfe zur Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Bankgeheimnis vor. Es handelt sich noch nicht um einen internationalen Haftbefehl, aber bei einer Einreise in die Schweiz riskieren sie nun, festgenommen zu werden.

„Es besteht der konkrete Verdacht, dass aus Deutschland klare Aufträge gegeben worden sind zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse“, sagte der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber am Samstag im Schweizer Radio DRS. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Bern bestätigte der Nachrichtenagentur dpa, die Schweiz habe die deutschen Behörden um Rechtshilfe ersucht. Die NRW-Landesregierung hat inzwischen auch das Bundesjustizministerium eingeschaltet.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) warf der Schweiz vor, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Täter seien nicht die Finanzbeamten aus NRW, sondern deutsche Steuerflüchtlinge und die Schweizer Banken, die ihnen helfen. Der Minister sicherte den drei Beamten jede Unterstützung zu. „Für die Betroffenen, die ihren Job im Interesse der ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler machen, sind die Haftbefehle eine enorme Belastung, die aus der Welt geschafft werden muss“, sagte Walter-Borjans am Samstag.

Kraft kritisierte die Haftbefehle als „ungeheuerlichen Vorgang“ und lehnte das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz ab: „Es gibt nach wie vor zu große Schlupflöcher für deutsche Steuerbetrüger. Das ist den ehrlichen Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar.“

Auch Gabriel nahm das geplante Steuerabkommen ins Visier: „Die Bundesregierung verhandelt ein Abkommen mit der Schweiz, wo sie gegen ein bisschen Geld diese Straftaten in Zukunft legitimieren will“, sagte Gabriel am Samstag in Düsseldorf beim SPD-Landesparteitag.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Jürgen Trittin, forderte ebenfalls, das Steuerabkommen nicht abzuschließen und sprach wegen der Haftbefehle von einem Skandal: „Offensichtlich will die Schweiz im Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht mit Rechtsstaaten kooperieren.“

Schäuble sieht keinen Zusammenhang zwischen den Haftbefehlen und dem Steuerabkommen. „Mit dem Abkommen hat das nichts zu tun“, sagte er am Rande von Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen in Kopenhagen. „Die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz sind so unabhängig wie in Deutschland, und infolgedessen gibt es da keinen Zusammenhang.“ Schäuble wies darauf hin, dass mit dem geplanten Abkommen solche Strafverfolgungen verhindert werden könnten.

Von 2013 an sollen Erträge deutscher Anleger in der Schweiz mindestens genau so hoch besteuert werden wie in Deutschland. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben. Die von SPD und Grünen geführten Länder lehnen das Abkommen zur Besteuerung des Milliarden-Vermögens auch nach Zugeständnissen der Schweiz ab.