Haftbefehle gegen Steuerfahnder sorgen für Empörung
Im Ankauf einer Steuer-CD sehen Schweizer Staatsanwälte Beihilfe zur Wirtschaftsspionage. Politiker sind erbost.
Düsseldorf/Berlin (dpa) - Die Schweiz hat mit Haftbefehlen gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder breite Empörung in Deutschland ausgelöst. Die Zukunft des umstrittenen Steuerabkommens zwischen beiden Ländern ist nun mehr denn je fraglich.
Die Deutsche Steuergewerkschaft bezeichnete die Haftbefehle als grotesk. Politiker von SPD und Grünen riefen die Bundesregierung zum Handeln auf. Die Schweizer Justiz hatte Haftbefehl gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen erlassen, weil sie im Februar 2010 am Ankauf einer CD mit Daten deutscher Steuerhinterzieher beteiligt gewesen sein sollen. Die Schweiz wirft ihnen Beihilfe zur Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Bankgeheimnis vor.
Für den Ankauf der CD mit Daten deutscher Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse sollen die Finanzbehörden in NRW mehr als 2,5 Millionen Euro gezahlt haben. Die CD brachte dem deutschen Fiskus nach Schätzung der Deutschen Steuergewerkschaft bis zu 900 Millionen Euro in die Kassen.
„Es besteht der konkrete Verdacht, dass aus Deutschland klare Aufträge gegeben worden sind zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse“, sagte der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber am Samstag im Schweizer Radio DRS. Die drei NRW-Steuerfahnder riskieren nun, bei einer Einreise in die Schweiz festgenommen zu werden.
„Ich betrachte dieses Vorgehen als einen Einschüchterungsversuch gegenüber der deutschen Politik, weil die Schweiz befürchtet, dass das geplante Steuerabkommen scheitert“, sagte Steuergewerkschaftschef Thomas Eigenthaler der „Bild am Sonntag“. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Carsten Schneider, sprach am Wochenende auf „Handelsblatt Online“ von einem „unfreundlichen Akt“.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatten das Schweizer Vorgehen am Samstag ebenfalls scharf kritisiert. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) warf der Schweiz vor, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Täter seien nicht die Finanzbeamten aus NRW, sondern deutsche Steuerflüchtlinge und die Schweizer Banken, die ihnen helfen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geriet wegen seines Verweises auf die Schweizer Rechtslage in die Kritik. „Der Finanzminister muss sich vor die Beamten stellen und darauf drängen, dass die Haftbefehle aus der Welt geschafft werden“, forderte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Sonntag. „Die Schweiz kriminalisiert die Steuerfahnder und Schäuble applaudiert. Das ist völlig verquer.“
Schäuble hatte erklärt, er sehe keinen Zusammenhang zwischen den Haftbefehlen und dem geplanten Steuerabkommen. „Die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz sind so unabhängig wie in Deutschland, und infolgedessen gibt es da keinen Zusammenhang“, sagte er am Samstag am Rande von Beratungen mit seinen EU-Kollegen in Kopenhagen.
Nach den bisherigen Plänen sollen Erträge deutscher Anleger in der Schweiz ab 2013 mindestens genau so hoch besteuert werden wie in Deutschland. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben. Die von SPD und Grünen geführten Länder lehnen das Abkommen auch nach Zugeständnissen der Schweiz ab.
Auch die Steuergewerkschaft bezeichnete das geplante Steuerabkommen als unzureichend. „Lieber kein Abkommen als dieses“, sagte Eigenthaler der „Leipziger Volkszeitung“.