Signale des Dialogs nach Ukraine-Wahl
Kiew/Moskau (dpa) - Nach dem Sieg des prowestlichen Oligarchen Petro Poroschenko bei der ukrainischen Präsidentenwahl gibt es erstmals seit Wochen Entspannungssignale zwischen Kiew und Moskau.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow und Poroschenko erklärten am Montag ihre Bereitschaft zu baldigen Krisengesprächen. Doch brachen im Osten zugleich erneut blutige Gefechte zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen aus.
Die Wahlkommission erklärte am Abend den Milliardär und Schokoladen-Fabrikanten Poroschenko nach Auszählung von 90,01 Prozent der Stimmzettel offiziell zum Sieger. Demnach hatten am Sonntag 54,33 Prozent für ihn gestimmt. Er gewann bereits im ersten Wahlgang. Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko landete weit abgeschlagen mit 13 Prozent der Stimmen auf Rang zwei.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schätzt ein, dass die Wahl demokratische Standards erfüllte. Die EU sprach von einem „wichtigen Schritt zur Deeskalation der Lage“.
Am Flughafen der Metropole Donezk gingen jedoch Regierungstruppen mit einem Großeinsatz gegen prorussische Separatisten vor. Kampfjets und Bodentruppen kamen zum Einsatz, wie ein Militärsprecher mitteilte. Die Separatisten hatten das Gelände zuvor besetzt und ein Ultimatum zur Aufgabe verstreichen lassen. Bei einem Feuergefecht vor dem Bahnhof von Donezk wurden nach Angaben der Separatisten mindestens zwei Menschen getötet. Zudem sei ein Kind verletzt worden, meldete die Agentur Interfax. In Slawjansk starben beim Versuch, aus dem Belagerungsring um die Separatisten-Hochburg auszubrechen, nach Angaben der Regierung mindestens zwei prorussische Aktivisten.
Lawrow sagte nach Angaben von Interfax, Russland sei bereit zum Dialog mit Poroschenko. Man respektiere den Willen des Volkes. Moskau spricht aber ausdrücklich weiterhin nicht von einer Anerkennung des Wahlergebnisses. Gleichwohl sagte Lawrow: „Dass die Abstimmung in vielen Teilen der Ukraine organisiert werden konnte, ist im Großen und Ganzen eine positive Tatsache.“
Allerdings forderte er Poroschenko auch auf, die „Anti-Terror- Operation“ gegen prorussische Kräfte zu stoppen und zu den in Genf gefassten internationalen Beschlüssen zurückzukehren. Dazu gehört die Entwaffnung aller nichtstaatlichen Truppen sowie die Räumung des Unabhängigkeitsplatzes - des Maidan - in Kiew.
Poroschenko ist hingegen für eine Fortsetzung des Militäreinsatzes. Gleichzeitig bot er einen Dialog mit Moskau an. So solle etwa die russische Sprache einen offiziellen Status in den russisch geprägten Gebieten der Ostukraine erhalten. Eine Stabilisierung der Lage in der Unruheregion sei „ohne russische Vertreter, ohne ein Treffen mit der russischen Führung unmöglich“. Allerdings lehnte er Gespräche mit militanten Separatisten ab. „Wir verhandeln nicht mit Terroristen.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, das Ergebnis der Wahl zu respektieren. Sie hoffe, „dass Russland das, was es vor der Wahl angekündigt hat, jetzt wahr macht“, sagte sie. Dazu gehöre, dass Moskau mit dem neuen Staatschef zusammenarbeite. Ebenso wie Merkel mahnte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier baldige Reformen in der Ukraine an, etwa eine Verfassungsreform. Außerdem müsse der richtige Zeitpunkt für eine Parlamentswahl abgepasst werden.
Poroschenko kündigte an, er wolle weiter mit Regierungschef Arseni Jazenjuk zusammenarbeiten. „Es gibt meinerseits keine Pläne, den Ministerpräsidenten auszutauschen.“ Jazenjuk arbeite hervorragend.
Seine erste Auslandsreise als Staatschef soll Poroschenko am 4. Juni in das Nachbarland Polen führen. Dort könnte er auch US-Präsident Barack Obama sowie Staats- und Regierungschefs aus mehreren EU-Ländern treffen, die den 25. Jahrestag der Befreiung Polens von der kommunistischen Diktatur feiern.
In Streit um Gaslieferungen konnten sich Russland und die Ukraine am Montag nicht auf ein Gesamtpaket einigen. Dies sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) nach stundenlangen Verhandlungen mit den Energieministern beider Länder in Berlin. Daran nahm auch der Chef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, Alexej Miller, teil. Oettinger sprach aber von Fortschritten. Ein Deal sei bei einem weiteren Treffen am Freitag in Berlin möglich.
So habe sich der ukrainische Staatskonzern Naftogas bereiterklärt, an diesem Donnerstag zwei Milliarden US-Dollar an Gazprom für ausstehende Gas-Rechnungen zu überweisen. Geplant ist nach Angaben Oettingers zudem eine weitere Zahlung von Naftogas an Gazprom am 7. Juni von 500 Millionen Dollar.
Russland beziffert die ukrainischen Gasschulden inzwischen auf 3,5 Milliarden US-Dollar (rund 2,6 Milliarden Euro). Der Gazprom-Konzern droht deswegen, ab Anfang Juni kein Gas mehr in die Ukraine zu pumpen. Dies könnte dann auch den Westen treffen, denn die Ukraine ist wichtiges Transitland für russisches Gas.