Skandinaviens Rechte — Nährboden für Gewalt?
Der Norden Europas streitet, ob Rechtspopulisten Mitschuld an den Anschlägen von Norwegen tragen.
Oslo. Nach dem Schock und der ersten Trauer bricht für die Skandinavier jetzt die Zeit des Streits um Hintergründe für die Anschläge in Norwegen an. Hat der fanatische Islamhasser Anders B. Breivik Nährboden für seine Mordlust in der aggressiven Rhetorik nordeuropäischer Rechtspopulisten gefunden? Oder könnte umgekehrt das Festhalten an liberalen multikulturellen Prinzipien zu mehr Gewaltbereitschaft beigetragen haben?
Bis auf Island haben die nordeuropäischen Länder in den vergangenen Jahren markante Erfolge rechtspopulistischer Parteien erlebt — Parteien, die scharf die Zuwanderung aus islamischen Ländern kritisieren. Nach den Anschlägen sagte die Chefin der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, Siv Jensen, gleich mehrfach, sie könne nun nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Rechtspopulisten sind Norwegens zweitgrößte Partei.
Die Vorsitzende der norwegischen Konservativen Erna Solberg — alles andere als eine Populistin, aber auch keine Vorkämpferin für „Multikulti“, sagte: „Die Art, in der extreme anti-islamische Gruppen heute über Muslime sprechen, gleicht der Art, in der extreme antisemitische Gruppen in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg über Juden gesprochen haben.“ Damit schloss sich die bürgerliche Rechte der nachdenklichen Reaktion des sozialdemokratischen Regierungschefs Jens Stoltenberg an.
Wohl nicht überall in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen sind solche Worte angekommen. Die rechtspopulistische Parteichefin Pia Kjærsgaard von der DVP sieht keinen Grund zur Mäßigung bei der Kritik an Zuwanderern mit islamischem Hintergrund. „Wir sind nicht mehr authentisch, wenn wir anfangen, daran zu denken, wie wir uns ausdrücken sollen, wenn wir den Dänen unsere Haltung darlegen.“
Eine gewaltige öffentliche Debatte löste die zum DVP-Lager gehörende Pastorin und Journalistin Sørine Gotfredsen aus, als sie Breiviks Verbrechen als Konsequenz einer multikulturell orientierten, liberalen Zuwanderungspolitik einordnete, die Proteste ignoriert: „Als Breivik das politische System aufgegeben hatte, entschied er sich dafür, zu handfesteren Mitteln zu greifen.“