Syriens Regierungschef überlebt Attentat
Damaskus/Istanbul (dpa) - Der syrische Regierungschef Wael al-Halki hat ein Attentat in Damaskus unverletzt überlebt. Das staatliche Fernsehen meldete, sechs Menschen seien ums Leben gekommen, als im morgendlichen Berufsverkehr eine Autobombe im Stadtteil Al-Messe detonierte.
Unter den Toten sei ein Leibwächter von Al-Halki. Sein Fahrer und ein weiterer Leibwächter seien verletzt worden, berichteten Oppositionelle. Während bei anhaltenden Kämpfen nach Angaben von Regimegegner am Montag landesweit mindestens 61 Menschen getötet wurden, hielten auch die Spekulationen um einen angeblichen Chemiewaffeneinsatz an.
Nach einem israelischen Pressebericht liegen den Geheimdiensten handfeste Belege für einen Einsatz dieser international geächteten Waffen vor. „Dies sind keine Geheimdiensteinschätzungen, sondern Beweise, sogar mehr als Beweise“, zitierte die Zeitung „Haaretz“ am Montag einen namentlich nicht genannten ranghohen israelischen Repräsentanten. „Alle Geheimdienste wissen davon. Niemand hat in der Sache irgendeinen Zweifel.“ In der vergangenen Woche hatte die US-Regierung in einem Brief an den Kongress geschrieben, dass in Syrien mit „unterschiedlichen Graden der Sicherheit“ Gift „in einem kleinen Maßstab“ verwendet worden sei.
Nach Ansicht von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon müssen die Informationen ernst genommen werden. Entsprechende Hinweise aus den USA und anderen Staaten hätten die Sache an einen „kritischen Punkt“ gebracht, sagte Ban am Montag nach einem Treffen mit dem Chemiewaffenexperten Åke Sellström.
Der Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt äußerte am Montag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa Zweifel daran, dass das Regime von Baschar Al-Assad Giftgas eingesetzt haben könnte. „Der Regierung kann der Chemiewaffeneinsatz nur schaden, weil sie damit ihren Gegnern den Grund für Waffenlieferungen an die Aufständischen und die Einrichtung einer Flugverbotszone liefert“, sagte der Mainzer Professor Günter Meyer. Dagegen könnte die syrische Opposition mit einem solchen Einsatz ihrer Forderung nach Waffenlieferungen Nachdruck verleihen.
Auch am Montag gab es wieder kaum überprüfbare Hinweise auf einen möglichen Kampfstoffeinsatz. Wie die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter unter Berufung auf Augenzeugen mitteilte, habe ein Hubschrauber die Ortschaft Sarakib in der Provinz Idlib angegriffen. Anschließend hätten Dutzende von Bewohnern des Ortes unter Erstickungsanfällen gelitten. Über mögliche Todesopfer wurde nichts bekannt.
Zu dem Anschlag auf Regierungschef Al-Halki bekannte sich zunächst niemand. Die Explosion ereignete sich in einem Viertel, in dem zahlreiche Funktionäre wohnen. Informationsminister Omran al-Soabi sagte, der Anschlag zeige, dass sich die Extremisten von den Bemühungen der Regierung um eine politische Lösung bedroht fühlten. Al-Halki selbst wurde von regierungsnahen Medien mit dem Satz zitiert: „Diese Explosion ist ein Beweis für den moralischen Bankrott der Terrorgruppen und derjenigen, die sie unterstützen.“
Landesweit zählten die Regimegegner am Montag 61 Tote. Kämpfe wurden unter anderem aus den Damaszener Vierteln Birse und Al-Midan sowie aus den Provinzen Damaskus-Land und aus Aleppo gemeldet.
Die regimekritische Nachrichtenwebsite „All4Syria“ meldete unterdessen, säkulare Oppositionelle wollten sich Mitte Mai in Kairo treffen, um ein neues Bündnis zu schmieden. Ziel sei es, ein Gegengewicht zur Muslimbruderschaft zu bilden, die bislang ein Schwergewicht in allen Gremien der Assad-Gegner bildet. Die Bemühungen der Oppositionellen würden von mehreren wohlhabenden syrischen Geschäftsleuten unterstützt, hieß es.
Der Aufstand gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad dauert seit März 2011 an. Assad sieht darin ein von Islamisten in Katar, Saudi-Arabien und der Türkei angezetteltes Komplott.