Tschechien kommt nicht zur Ruhe
Prag (dpa) - Als der tschechische Präsident Milos Zeman mit Fanfarenklängen ins Abgeordnetenhaus in Prag einzieht, bringt er eine Drohung mit. Seine „Expertenregierung“ wolle er notfalls auch gegen den Willen des Parlaments monatelang im Amt halten, deutet der Mann mit der sonoren Stimme an.
„Ich versichere, dass ich innerhalb der nächsten Wochen keinen zweiten Regierungsauftrag vergeben werde, selbst wenn man mich auf dem Rad foltern sollte.“
Für den Präsidenten spielt es demnach kaum eine Rolle, dass Ministerpräsident Jiri Rusnok wie erwartet am Mittwochabend die Vertrauensabstimmung verlor. Der Machtkampf zwischen Parlament und Präsident spitzt sich zu. „Der direkt gewählte Präsident muss neben dem Willen des Parlaments auch den Willen der Mehrheit der Bürger berücksichtigen“, sagt Zeman.
Die Chancen für den Zeman-Vertrauten Rusnok bei den Abgeordneten standen schlecht. Der Präsident hatte den Finanzexperten mit der Regierungsbildung beauftragt, ohne dies mit den Parteien im Parlament abzusprechen. „Rusnok holt sich seine Niederlage ab“, titelte die Zeitung „Pravo“.
Am Ende ging die Taktik der konservativen ehemaligen Regierungsparteien ODS, TOP09 und Lidem auf. Mit ihren 100 Stimmen konnten sie eine linke Mehrheit für Rusnok verhindern. Doch die Parteien finden in der seit Monaten andauernden Krise keine gemeinsame Sprache quer durch das politische Spektrum, um dem Präsidenten entgegenzutreten.
Der konservative Ministerpräsident Petr Necas war im Juni über eine Bespitzelungsaffäre gestürzt. Daraufhin erklärt Zeman als erster vom Volk gewählter Präsident, das Land mit einer Expertenregierung aus der Krise führen zu wollen. Schnell witterten Beobachter, dass Zeman das Machtvakuum für seine Zwecke nutzen würde. Doch konnten sich die Parteien bislang nicht auf die Selbstauflösung des Parlaments und Neuwahlen einigen.
Einen unerwarteten Sinneswandel legten am Vorabend der Vertrauensabstimmung die Sozialdemokraten hin. Deren Parteichef Bohuslav Sobotka hatte wochenlang die Regierung von Zemans Gnaden strikt abgelehnt und Neuwahlen gefordert. Mit einem 180-Grad-Schwenk verpflichtete er seine CSSD-Abgeordneten nun überraschend zum „Ja“ für die Rusnok-Regierung.
„Ich habe einen Weg gesucht, bei dem die Partei nicht gespalten wird“, erklärte Sobotka. Der Parteichef habe Zeman die Schlüssel zur CSSD übergeben, spottete die Zeitung „Lidove Noviny“. „Nachdem er den Kampf aufgegeben hat, wird sich Sobotka nicht lange an der Spitze der Partei halten können.“
Die konservativen Parteien wollten zunächst eine Schattenregierung aufstellen, um Zemans Ambitionen Paroli zu bieten. „Wir zeigen dem Präsidenten, dass wir die Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben, auch wenn er sie ignorieren kann“, sagte Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg.
Eine Schattenregierung, die im Parlament eigentlich über eine Mehrheit verfügt, wäre nach Einschätzung Prager Zeitungen ein merkwürdiges Unikat. Nach der für Rusnok gescheiterten Vertrauensfrage stimmte Schwarzenbergs Partei TOP09 nach langem Zögern doch noch in den Chor derer ein, die stattdessen Neuwahlen fordern.