Tschechien nimmt Kurs auf Neuwahlen

Prag (dpa) - In Tschechien zeichnen sich nach dem Scheitern der Übergangsregierung des Mitte-Links-Politikers Jiri Rusnok Neuwahlen ab. Dafür sprachen sich Sozialdemokraten (CSSD) und Kommunisten (KSCM) und überraschend auch die bürgerliche Partei TOP09 aus.

Die drei Parteien hätten gemeinsam eine knappe Mehrheit von 122 Stimmen, um die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses zu beschließen. Dafür ist eine Drei-Fünftel-Mehrheit erforderlich.

„Es gibt keinen Grund, zu warten und die Zeit der Instabilität zu verlängern“, sagte CSSD-Parteichef Bohuslav Sobotka nach Angaben der Agentur CTK. Bei einem Ja müsste innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl stattfinden. Die Entscheidung könnte in der kommenden Woche auf einer Sondersitzung fallen. Mitte Juli war ein Vorstoß, das Parlament aufzulösen, fehlgeschlagen.

Der von Präsident Milos Zeman eingesetzte Interims-Regierungschef Rusnok hatte am Mittwochabend die Vertrauensfrage gestellt und verloren. Nur 93 Abgeordnete sprachen ihm das Vertrauen aus, 100 Abgeordnete stimmten gegen ihn. Rusnok kündigte an, er werde verfassungsgemäß seinen Rücktritt einreichen. Ein Termin stand am Donnerstag noch nicht fest.

Die bürgerliche Partei TOP09 des früheren Außenministers Karel Schwarzenberg hatte Neuwahlen bislang strikt abgelehnt. Zu der Kehrtwende kam es nach Einschätzung von Beobachtern nun, weil die dünne Mehrheit der ehemaligen Mitte-Rechts-Koalition im Parlament in der Krise zu schmelzen droht. Der konservative Regierungschef Petr Necas war im Juni über eine Bespitzelungsaffäre gestürzt.

Vertreter der Partei betonten, dass die Verständigung mit den Sozialdemokraten auf Neuwahlen kein Wahlbündnis zur Folge habe. „Wir werden glaubhaft bleiben und nach den Wahlen nicht mit den linken Parteien zusammenarbeiten“, sagte der TOP09-Fraktionsvorsitzende Petr Gazdik im Parlament.

Ein Nachspiel hat die Vertrauensabstimmung für mehrere Politiker der Demokratischen Bürgerpartei. Die ODS-Abgeordneten Tomas Ulehla und Jan Florian sollen aus der Partei ausgeschlossen werden. Sie verließen den Saal, statt gegen die Übergangsregierung zu stimmen. Der „Verrat“ sorgte für erheblichen Ärger im bürgerlichen Lager.

Die Vorsitzende der Partei Lidem, Karoline Peake, erzürnte die anhaltende Unzuverlässigkeit des früheren Koalitionspartners dermaßen, dass sie ihr Amt niederlegte. „Mich hat alle Energie verlassen“, sagte sie der Zeitung „Pravo“. Die Kleinpartei steht nach Medienberichten vor dem Zerfall.