US-Gerichte blockieren Hinrichtung eines geistig Behinderten
Washington (dpa) - Die umstrittene Hinrichtung eines geistig Behinderten in den USA ist in letzter Minute durch zwei Gerichte blockiert worden. Nach Medienangaben stand der 52-jährige Warren Lee Hill nur etwa eine halbe Stunde vor dem Gang in die Exekutionskammer, als zwei Berufungsinstanzen die Vollstreckung aussetzten.
Die Anwälte des zweimal wegen Mordes verurteilten Hill machen seit Jahren geltend, dass ihr Mandant nur einen Intelligenzquotienten von 70 und die geistigen Fähigkeiten eines 12-Jährigen habe. Damit dürfe er nach geltendem Recht nicht hingerichtet werden. Neben Menschenrechtlern, der führenden Juristenvereinigung der USA und medizinischen Experten hatten sich auch Prominente wie Ex-Präsident Jimmy Carter für eine Verschonung des Delinquenten starkgemacht.
Das Oberste Gericht der USA hat Hinrichtungen geistig Behinderter 2002 als „grausame und ungewöhnliche Bestrafung“ verboten. Die Kriterien für die Feststellung einer geistigen Behinderung bleiben aber den Bundesstaaten überlassen. Georgia legt dabei die strengsten Maßstäbe an: Es verlangt, dass die Behinderung „zweifelsfrei“ nachgewiesen werden müsse. Diese Voraussetzung sei im Fall Hill nicht erfüllt, argumentieren die Behörden. Wegen eines Einspruchs gegen die Hinrichtungsmethode war Hill bereits im Sommer vergangenen Jahres knapp der Hinrichtung entgangen. Er hatte 1986 seine 18-jährige Freundin getötet, dafür eine lebenslange Freiheitsstrafe erhalten und 1990 dann einen Mithäftling erschlagen. Dieser zweite Mord trug ihm die Todesstrafe ein.
Tatsächlich hatten drei vom Staat angeheuerte Gutachter im Jahr 2000 bescheinigt, dass Hill nicht geistig behindert sei. Sie widerriefen diese Bewertung aber kürzlich - zum Teil mit der Begründung, dass sie den Häftling seinerzeit nur flüchtig untersucht hätten. Hauptsächlich auf dieser Grundlage hatten Hills Anwälte in der vergangenen Woche erneut mehrere Gerichte angerufen, um die Exekution zu stoppen.
„Alle Experten - sowohl die staatlichen als auch die von Hills Anwälten herangezogenen - scheinen nun zu dem Ergebnis zu kommen, dass er tatsächlich geistig behindert ist“, zitiert die Zeitung „Atlanta Journal-Constitution“ die Richter. Ankläger hatten argumentiert, dass Hill seine Behinderung nur vortäusche. Er habe beispielsweise in der Navy gedient und werde innerhalb seiner Familie in vielen Fragen als Autorität gesehen.
Der Zeitung zufolge war Hill vor dem Hinrichtungstermin am Dienstagabend auf eigenen Wunsch hin bereits ein Beruhigungsmittel verabreicht worden, als die Gerichtsentscheidungen zum Stopp per Telefon eintrafen. Demnach setzte eine Bundesberufungsinstanz in Georgia die Hinrichtung zwecks weiterer Prüfung des Arguments der geistigen Behinderung aus.
Eine weitere staatliche Instanz blockierte die Vollstreckung wegen der Exekutionsmethode. Die Verteidiger Hills und anderer zum Tode verurteilter Häftlinge hatten dem Medienbericht zufolge beanstandet, dass die Giftspritze in Georgia nur noch eine Chemikalie statt bisher drei enthält - und dieser einzelne Stoff ohne irgendeine ärztliche Verschreibung verabreicht werde.
Hill hatte bereits im vergangenen Sommer einen Aufschub bekommen. Die Tatsache, dass der Oberste Gerichtshof ihm einen Aufschub verweigerte, deutet darauf hin, dass es dieses Mal möglicherweise der letzte gewesen sein könnte, bilanziert die Zeitung. Er wäre der jüngste Fall in einer langen juristischen Tradition der USA: Das Todesstrafen-Informationszentrum hat seit 1976 dort 1321 Exekutionen gezählt.