Verfassungsgericht billigt EU-Rettungsschirm
Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat die Griechenlandhilfe und den Euro-Rettungsschirm gebilligt. Gleichzeitig stärkten die obersten deutschen Richter jedoch die Beteiligungsrechte des Bundestages.
Künftige Finanzhilfen sind an die Vorgabe gekoppelt, dass der Haushaltsausschuss jedem Schritt zustimmen muss. Das Urteil sei „keine Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete“. Es dürfe bei den Zahlungen keinen Automatismus geben, der die Rechte der Abgeordneten aushebelt, entschied das Gericht am Mittwoch in Karlsruhe.
Die drei Verfassungsbeschwerden von EU-Kritikern gegen die politischen Beschlüsse von 2010 blieben damit weitgehend erfolglos (Az. 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10). Der Kläger und CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler nahm die Entscheidung „mit einem lachenden und weinenden Auge“ entgegen. Die Maßgaben des Gerichtes seien „kleine Trippelschritte“ im Vergleich zum dem, was er sich erhofft habe. Sein Mitstreiter Karl Albrecht Schachtschneider sagte: „Das ist ein schlechter Tag für Deutschland und für Europa und eine Ohrfeige für die Bedürftigen in unserem Land.“
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter, zeigte sich äußert zufrieden. Das Urteil stärke die Bundesregierung und schicke ein klares Signal an die Märkte. „Aber es ist auch eine Mahnung, dass wir bei künftigen Rettungsschirmen auf Maß und Mitte achten.“
Das Gericht hat für die Ende September geplante Entscheidung des Bundestages über die Stärkung des Rettungsschirms EFSF keine weiteren Hürden aufgestellt. Die schwarz-gelbe Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ringt derzeit um eine eigene Mehrheit für die Milliardenhilfen. Wie genau die Rechte des Parlaments künftig aussehen werden, ist aber noch offen.
Die Hilfspakte müssen - so die obersten Richter - klar definiert sein und den Parlamentariern die Möglichkeit zur Kontrolle und auch zum Ausstieg geben. Bei dem im vergangenen Jahr beschlossenen Rettungsschirm sieht das Gericht die Kriterien erfüllt.
Im Finanzstabilitätsgesetz seien der Umfang der Unterstützung - 170 Milliarden Euro - und ihr Zweck - Griechenlandhilfe - sowie ein überschaubarer Zeitraum festgelegt. Zudem hänge die Hilfe von der einvernehmlichen Billigung der EU-Staaten ab. Damit behalte die Bundesregierung ihre souveräne Entscheidungskraft.
Nachbesserungen fordert das Gericht bei der Einbeziehung des Parlaments. Es reiche nicht aus, dass der Bundestag die Rahmenbedingungen beschließe und die Regierung dann bei der konkreten Ausgestaltung nur noch den Haushaltsausschuss informiere. Vielmehr dürften Hilfen künftig nur dann gewährt werden, wenn der Ausschuss vorher ausdrücklich zugestimmt habe. Auch im Haushaltsausschuss haben Union und FDP die Mehrheit.
Dem Argument der Kläger, durch den Rettungsschirm drohe ein riesiges Haushaltsloch und damit die Handlungsunfähigkeit des Staates, konnte das Gericht nicht folgen. Wie viele Schulden Deutschland verkraften könne, liege im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, „den das Bundesverfassungsgericht zu respektieren hat“. Das Gericht können sich „nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers setzen“.
Auch das Szenario, dass die Bürger durch die Rettungspakete mit einer sinkenden Kaufkraft des Euro rechnen müssten, konnten die Richter nicht nachvollziehen. Die Kritiker hätten nicht überzeugend darlegen können, dass eine solche Entwicklung unausweichlich sei.
Mit seiner Entscheidung knüpft das Gericht an seine Urteile zu den Verträgen von Maastricht und Lissabon an, bei denen es die Souveränität des deutschen Staates hervorhob. Erneut findet sich ein klares Nein gegen Mehrheitsentscheidungen in der EU, bei denen Deutschland überstimmt werden könnte und gezwungen wäre, gegen seinen Willen zu handeln.
In diese Rubrik fallen auch die umstrittenen Eurobonds, da auch bei ihnen die deutsche Regierung nicht in allen Belangen Herr des Verfahren sein könnte. Die Vergemeinschaftung von Staatsschulden berge ein hohes Risiko für die Eigenverantwortung, urteilten die Richter.