Eskalation in Caracas Weltweit Protest gegen „Staatsstreich“ in Venezuela
Caracas (dpa) - Die Entmachtung des Parlaments hat weltweit Sorgen vor einem Abrutschen Venezuelas in eine Diktatur geschürt. Das Land verfügt über die größten Ölreserven der Welt und ist eine wichtige Regionalmacht in Südamerika.
Die Bundesregierung fordere Präsident Nicolás Maduro dazu auf, „dringend zu demokratischen Strukturen zurückzukehren“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Es ist unerträglich, wie Präsident Maduro die Bevölkerung seines Landes zur Geisel seiner eigenen Machtambitionen macht.“
Die Opposition, die eine deutliche Mehrheit im Parlament hat, rief zu Massendemonstrationen auf. Der Minister für soziale Bewegungen, Aristóbulo Istúriz, warnte vor einer Destabilisierung des Landes. Mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs, der der Nationalversammlung alle parlamentarischen Kompetenzen entzogen hatte, wird Maduro auch mit weiteren militärischen Vollmachten ausgestattet. Die heftigsten Proteste gegen ihn gab es zuletzt 2014, als 43 Menschen starben.
Der Oberste Gerichtshof wird von einem umstrittenen, vorbestraften Sozialisten geführt. Mit der Entmachtung des Parlaments wird die Position des Präsidenten Maduro enorm gestärkt und die Gewaltenteilung wird de facto aufgehoben. Das Gericht warf dem Parlament Respektlosigkeit und unzureichende Zusammenarbeit mit den anderen Staatsgewalten vor. Das Parlament nannte das einen „Staatsstreich“.
Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, sprach von einem „Selbstputsch des Staates“. „Es geht um die Frage von Freiheit oder Despotismus.“ Zur Gerichtsentscheidung war es gekommen, nachdem das Parlament in Caracas Bestrebungen von 20 der 35 OAS-Mitgliedsstaaten unterstützt hatte, die Maduros Agieren verurteilten und die Rückkehr zu demokratischen Prinzipien anmahnten.
Auch das US-Außenministerium verurteilte die Entmachtung: „Wir betrachten dies als einen schweren Rückschlag für die Demokratie in Venezuela.“ Peru zog seinen Botschafter ab, Chiles Präsidentin Michelle Bachelet rief ihren Botschafter zu Konsultationen zurück.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ließ in Brüssel mitteilen, die EU fordere „vollen Respekt für die Verfassung, demokratische Prinzipien, den Rechtsstaat und eine Trennung der Gewalten“. Das sei entscheidend, um die gegenwärtige Lage im Land friedlich zu lösen.
Seit 1999 regieren die Sozialisten. Nach dem deutlichen Sieg des Oppositionsbündnisses mit sozialdemokratischen, konservativen, liberalen und indigenen Parteien bei der Parlamentswahl im Dezember 2015 entbrannte ein Dauerkonflikt zwischen Exekutive und Legislative.
Maduro baute das Regieren mit Notstandsdekreten aus, zudem blockierte die Justiz Entscheidungen des Parlaments. Auch die Immunität der Abgeordneten wurde vor wenigen Tagen aufgehoben, die damit nicht mehr vor Strafverfolgung geschützt sind. Parlamentspräsident Julio Borges sprach von der Errichtung einer Diktatur. Maduro habe die Anweisung zu diesem skandalösen Urteil gegeben. „Jetzt hat Maduro alle Macht.“
In Venezuela verschlimmert sich nach Jahren der Misswirtschaft fast täglich die bereits dramatische Versorgungskrise. Als Folge der höchsten Inflation der Welt können die Menschen Lebensmittel und Medikamente kaum noch bezahlen. Das Land ist stark von Importen abhängig, kann aber kaum noch die Produkte in Dollar oder Euro bezahlen. Maduro bat zuletzt die Vereinten Nationen um die Lieferung von Medikamenten - er macht einen „Wirtschaftskrieg“ gegen sein Land für die Misere verantwortlich. In Krankenhäusern gibt es kaum noch Medizin. Auch die Gewalt nimmt massiv zu. Zehntausende Menschen sind bereits geflohen.