Berlusconi nach Sexaffären unter Druck

Rom (dpa) - Nach den Fotos jetzt auch noch der Ton. Das hatte Silvio Berlusconi gerade noch gefehlt. Nach Monate andauernden Spekulationen über sein angeblich wildes Privatleben auf den Titelseiten der internationalen Presse hatte der Regierungschef mit der Schwäche für das weibliche Geschlecht gehofft, einen ruhigen Sommer verbringen zu können.

Hoffnung darauf hatte ihm ausgerechnet das harte internationale Geschäft des G8-Gipfels gemacht. Den hatte er als Gastgeber trotz harscher Kritik unbeschadet überstanden. Nun machte ein italienisches Nachrichtenmagazin mit der Veröffentlichung von Tonaufnahmen dem 72-jährigen „Bel-Ami“ einen Strich durch die sommerliche Rechnung.

Zuvor war es ihm nur teilweise gelungen, die Veröffentlichung von rund 5000 Schnappschüssen des sardischen Paparazzo Antonello Zappadu von Festen und Gelagen in Berlusconis sardischer „Villa Certosa“ zu verhindern. Doch damit nicht genug. Jetzt veröffentlichte die politische Wochenzeitschrift „Espresso“ in ihrer Online-Ausgabe Tonmitschnitte von den angeblichen Treffen eines Callgirls mit Berlusconi. Dessen Anwalt reagierte prompt und nannte die Mitschnitte gefälscht. Mit den Bildern Zappadus und den Aufnahmen der Edelprostituierten Patrizia D'Addario scheint eine neue Ebene in dem Dauer-Skandal erreicht.

Ausgerechnet als die linksliberale römische Tageszeitung „La Repubblica“ berichtet hatte, der Milliardär und Regierungschef wolle „sein Leben verändern“, seine im Nordosten von Sardinien gelegene Luxusvilla verkaufen und eine Bußwallfahrt unternehmen, landeten Berlusconis angebliche Eskapaden für alle hörbar im Internet. Der Regierungschef hatte in den letzten Wochen D'Addario der Lüge bezichtigt. Er habe niemals für Liebe bezahlen müssen.

Jedoch auf der Website des Magazins Espresso kann sich nun jeder selbst überzeugen: Bis hin zur Aufforderung des Regierungschefs, das Mädchen möge „in Putins großem Bett“ auf ihn warten, ist alles abruf- und abhörbar. Ob die Worte tatsächlich aus Berlusconis Mund in das elektronische Ohr des Aufnahmegerätes wanderten? Wer weiß? Was Medien und Opposition dabei interessiert, sind inzwischen weniger die angeblichen Sex-Affären Berlusconis als solche. Das ist letztlich Privatsache.

Vielmehr geht es um die Frage, nach der Glaubwürdigkeit und eventuellen Erpressbarkeit des regierenden Casanova. „Es sollte inzwischen klar geworden sein, dass wer lügt - über was auch immer - eine Gefahr für Freiheit und Demokratie darstellt“, meinte der Kommentator der „Repubblica“ am Dienstag. Mitglieder der Opposition plädieren seit Wochen für eine Befragung des Ministerpräsidenten im Parlament zu seiner Skandal-Chronik.

Die Regierungsmannschaft wies die Vorwürfe hingegen stets als „Schmutzkampagne“ der Linken zurück. Berlusconis Anwalt Niccolo Ghedini drohte nach Veröffentlichung der Tonaufnahmen sofort mit juristischer Härte „gegen jeden, der dieses Material benutzt“. Die Tonaufnahmen seien kaum ernst zu nehmen und „gefälscht“. Die Journalisten sollten „doch lieber in die Ferien gehen“, die sie „ganz offensichtlich dringend nötig haben“, tönte Daniele Capezzone, ein Parteifreund Berlusconis. Italienische Beobachter wunderten sich unterdessen, warum - sollten die Aufnahmen wirklich gefälscht sein - der Ministerpräsident dann nicht drastischer gegen das Magazin vorgehen wollte.

Berlusconi selbst schien am Dienstag eine andere Taktik zu verfolgen. „Lassen wir diese Verleumdung im Sande verlaufen“. Er werde sich nicht davon beeinflussen lassen, habe der Cavaliere nur privat in seinem Anwesen in Arcore bei Mailand gezürnt, hieß es. Vor ein paar Wochen hatte ihm bereits Altpräsident Francesco Cossiga (80) altersweise nahegelegt, zu den Enthüllungen über angebliche Frauen- Geschichten lieber schlicht zu schweigen.