Analyse: Netanjahu setzt Bündnis mit den USA aufs Spiel
Im Streit über neue Bauprojekte im Ostteil Jerusalems will Israels Premier nicht einlenken.
Tel Aviv. Im heftigen Streit mit den USA über ein Bauprojekt im arabischen Ostteil Jerusalems setzt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf offene Konfrontation. Er bekräftigte den Anspruch Israels auf die ganze Stadt und erklärte entschlossen, Juden hätten das Recht, "in allen Teilen Jerusalems zu leben und Land zu kaufen". Er werde in der Frage auch "nicht einknicken", betonte der rechtsorientierte Regierungschef. Israelische Kommentatoren beschrieben am Montag mit Sorge die wachsende Kluft in den Beziehungen mit dem übermächtigen Verbündeten.
Erstmals seit seinem Amtsantritt Ende März sei Netanjahu ganz klar in die Offensive gegenüber dem US-Präsidenten Barack Obama gegangen, schrieb Ben Caspit von der Zeitung "Maariv". Er verglich ihn im ungleichen Machtkampf allerdings mit einem Pokerspieler, der nur schlechte Karten in der Hand hat. "Die Frage ist, was wir tun können, wenn wir zu unserem Entsetzen feststellen sollten, dass Obama es wirklich ernst meint."
Der neue Zankapfel sind Pläne zum Bau von 20 Wohneinheiten im Bereich des Shepherd-Hotels im Scheich-Dscharach-Viertel. Der jüdische US-Millionär Irwin Moskowitz hat von der Jerusalemer Stadtverwaltung eine Genehmigung erhalten, auf dem Land zu bauen, das er 1985 gekauft hatte. Aus palästinensischer Sicht ist dies eine Provokation, Israel sieht Bauaktivitäten in ganz Jerusalem hingegen als natürliches Recht an.
Die Obama-Regierung habe Israel ganz deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht kein Unterschied zwischen illegalem Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem besteht, schrieb die Zeitung "Haaretz". Die US-Regierung zieht als Reaktion auf die harte israelische Haltung nun offenbar in Erwägung, die Zusage für Kreditbürgschaften in Höhe von einer Milliarde Euro an Israel zurückzunehmen. Das berichtet die israelische Wirtschaftszeitung "Calcalist". In Israel herrscht hingegen ein breiter Konsens über den Anspruch auf ganz Jerusalem als Hauptstadt.
Menschenrechtsorganisationen verweisen jedoch darauf, dass die Annexion des 1967 von Israel eroberten Ostteils von Jerusalem gegen internationales Recht verstößt. Die Palästinenser, die in Ost-Jerusalem die Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates sehen, werfen Israel vor, durch Zersiedelung eine Verbindung Ost-Jerusalems mit dem Westjordanland verhindern zu wollen.
Chefunterhändler Saeb Erekat kritisierte, Netanjahu widersetze sich dem Willen der internationalen Gemeinschaft. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas warf Israel sogar vor, es wolle Jerusalem in eine "rein jüdische Stadt" verwandeln. Es wolle die islamischen und christlichen Merkmale der Stadt auslöschen.