Bizarre Strafen So kreativ urteilen Strafrichter

Düsseldorf · In den USA werden immer wieder bizarre Urteile gefällt, auch Prangerstrafen gehören zum Repertoire der Gerichte. Und wie sieht es bei uns aus?

Einmal im Monat im Knast Bambi gucken – eine besonders kreative Strafe, die ein US-Richter gegen einen Wilderer verhängte.

Foto: picture alliance / -/DVD Bambi/D/-

Es war ein für juristische Verhältnisse hierzulande bizarres Strafurteil: Ende vergangenen Jahres wurde in den USA ein Wilderer nicht nur zu einjähriger Haftstrafe verurteilt. Er muss sich nun auch während der Zeit hinter Gittern einmal pro Monat den Walt-Disney-Film „Bambi“ ansehen. Das soll in ihm eine bislang nicht vorhandene Empathie für die Tierwelt wecken. Solche Richtersprüche sind in den USA gar nicht so selten. Sie laufen unter dem Stichwort „creative sentencing“, kreatives Strafen also.

Drogensüchtiger musste einen Sarg ins Wohnzimmer stellen

So wurde auch schon mal ein Mann, der seine Frau geschlagen hatte, dazu verdonnert, einen Yogakurs zu besuchen. Eine Frau, die zu Unrecht behauptet hatte, Opfer eines Hurrikans gewesen zu sein, um staatliche Unterstützung zu kassieren, musste Häuser putzen. Ein Richter verpflichtete einen Drogenabhängigen, sich einen Sarg zu kaufen und diesen in sein Wohnzimmer zu stellen. Als ständige Mahnung, wohin ihn sein Drogenmissbrauch führen werde, wenn er diesen nicht einschränke. Eine Erzieherin, die einen Jungen mit einem Gürtel geschlagen hatte, musste im Gerichtssaal Abhandlungen über die Konsequenzen von Kindesmissbrauch vorlesen und mit der Mutter des Kindes darüber diskutieren. Ein Mann, der sein Kind misshandelt und gezwungen hatte, in einer Hundehütte zu schlafen, musste auf richterliche Anordnung selbst einen Monat in der Hundehütte übernachten.

Besonders ein Richter in Ohio tut sich mit kreativen Strafen hervor. Michael Cicconetti genießt, vertraut man Medienberichten, in der Kleinstadt Painesville wegen seiner erzieherischen Ideen einen guten Ruf. Immer wieder stellt er Angeklagte vor die Alternative, statt einer sonst fälligen Haftstrafe eine andere Sanktion hinzunehmen. So akzeptierte eine Frau, die kleine Kätzchen im Wald ausgesetzt hatte, die Strafe, selbst im Winter eine Nacht im Wald zu verbringen. Wegen schlechten Wetters ließ der Richter sie nachts allerdings wieder aus dem dunklen Forst abholen, sie durfte den Rest der Nacht in einer Zelle verbringen. Eine andere Frau, die sich knapp 50 Kilometer mit dem Taxi hatte fahren lassen, dann aber nicht bezahlte, stellte er vor die Wahl: entweder Sie gehen zwei Monate in Haft oder aber Sie marschieren die gleiche Strecke zu Fuß. Die Rechtsbrecherin entschied sich für die körperliche Ertüchtigung.

Demütigende Form der kreativen Sanktion: die Scham-Strafe

Ein Unterfall dieses kreativen Strafens, mit dem US-Gerichte vermeiden wollen, dass die ohnehin schon vollen Gefängnisse noch mehr unter Überbelegung leiden, sind die sogenannten Schamstrafen. Dabei wird der verurteilte Täter durch eine Art Pranger entehrt und entwürdigt. Der dahinter stehende Gedanke: Er soll geläutert werden, und gleichzeitig werden durch die öffentliche Zurschaustellung des Täters andere abgeschreckt. Auch hier hatte Richter Cicconetti schon so seine Ideen: Da Prostitution im Staat Ohio illegal ist und deshalb drei Freier vor seinem Richtertisch landeten, verurteilte er sie, entweder einen Monat ins Gefängnis zu gehen oder aber als Hühner verkleidet drei Stunden vor dem Gerichtsgebäude auf und ab zu gehen. Dazu sollten sie ein Schild mit der Aufschrift „Keine Hühnerfarm in Painesville“ tragen. Eine Anspielung auf ein Etablissement mit dem Namen „Weltberühmte Hühnerfarm“ im US-Staat Nevada, in dem Prostitution legal ist.

Weiterer Fall einer Prangerstrafe: Ein Mann, der einen Polizeibeamten ein Schwein genannt hatte, wurde dazu verurteilt, in der Öffentlichkeit neben einem lebendigen Schwein zu stehen und dabei ein Schild mit der Aufschrift zu präsentieren: „Dies ist kein Polizist“.

Prangerstrafen gab es
auch hierzulande schon

In Deutschland wären solche Strafen nicht denkbar, jedenfalls nicht im Erwachsenenstrafrecht. Hier müssen sich die Gerichte an dem für die jeweilige Straftat vom Gesetzgeber im Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafrahmen orientieren, das heißt: es gibt eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Prangerstrafen gibt es aufgrund des Menschenwürde-Schutzes schon gar nicht. Jedenfalls nicht mehr.

In früheren Jahrhunderten waren sie aber durchaus auch in unseren Gefilden üblich. Das Wort Pranger kommt von dem mittelhochdeutschen Wort „pfrengen“, was so viel bedeutete wie pressen, drücken. Der Pranger ist nach dem drückenden Halseisen benannt, mit dessen Hilfe der Bösewicht an den Schandpfahl angekettet oder auf einer Schandbühne in einen Käfig zur Schau gestellt wurde. Darüber eine Tafel mit dem Namen des Verurteilten und der ihm zur Last gelegten Schandtat.

Aber es gab damals auch schon den Pranger im weiteren Sinne: Liebespaare, die unkeusch gelebt hatten, wurden bestraft, indem der Verführer seine Geliebte in einem Schubkarren durch die Straßen schieben musste und die Bevölkerung beide mit Dreck bewerfen durfte.

Bei Jugendlichen haben Gerichte mehr Spielraum

Mit Blick auf kreatives Strafen haben die Gerichte auch hierzulande jedenfalls bei jugendlichen Straftätern einen Spielraum. Natürlich sind auch hier keine Prangerstrafen erlaubt, wohl aber können erzieherische Maßnahmen verhängt werden. § 10 des Jugendgerichtsgesetzes gibt dem Richter die Möglichkeit, Weisungen zu erteilen, „welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen“.

Vier Wochen ohne Handy – eine auch im deutschen Jugendstrafrecht mögliche erzieherische Maßnahme.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

So kann das Gericht dem verurteilten Jugendlichen aufgeben, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. Zum Beispiel, dem Opfer einen Entschuldigungsbrief zu schreiben. Oder einen Aufsatz über den Sinn und Zweck von Strafvorschriften zu verfassen, die er verletzt hat. Auch ein vierwöchiges Handyverbot zählt zu solchen erzieherischen Maßnahmen. Oder die „Leseweisung“: der Missetäter muss ein Buch lesen und dazu eine Besprechung verfassen.

Auf Erwachsene in dieser Weise erzieherisch einzuwirken, gibt das deutsche Strafrecht nicht her. Spielraum für Kreativität haben Richter allerdings dann, wenn sie eine eigentlich fällige Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen. Diese Bewährung können sie an das Erfüllen bestimmter Auflagen knüpfen. So kann das Gericht nach § 56 b Strafgesetzbuch dem verurteilten Täter zum Beispiel auferlegen, den Schaden wiedergutzumachen, Geld an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen oder gemeinnützige Arbeit zu leisten.

Ein bisschen kreativ ist
auch der deutsche Gesetzgeber

Im Strafausspruch selbst hat der Richter hingegen grundsätzlich nur das Instrument der Freiheitsstrafe oder der Geldstrafe. Diese starre Festlegung wird durchaus kritisiert: Warum nicht den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts zumindest in Teilen auch auf das Erwachsenenstrafrecht übertragen? Und dabei sowohl auf eine Besserung des Täters abzuzielen und gleichzeitig eine echte Genugtuung oder Hilfe für das Opfer der Straftat zu erreichen. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass eine angemessene Reaktion auf kriminelles Verhalten nur in einer Haft- oder Geldstrafe bestehen kann.

Einen ersten Schritt in Sachen Kreativität hat der deutsche Gesetzgeber nach langem Streit bereits vollzogen und damit auch den Richtern einen entsprechenden Spielraum an die Hand gegeben. Als er nämlich im Jahr 2017 regelte, dass ein Fahrverbot als Strafe sogar bei solchen Delikten verhängt werden kann, die gar nichts mit dem Straßenverkehr zu tun haben. Damit sollen – so die gesetzgeberische Absicht – insbesondere sonst fällig werdende kurze Haftstrafen vermieden werden. Um aber dennoch den notwendigen Abschreckungseffekt zu erzielen, soll der Täter durch diese Sanktion empfindlich getroffen werden. Während bei der Freiheitsstrafe die Bewegungsfreiheit ganz entzogen wird, wird sie bei dieser Form der Strafe nur graduell eingeschränkt. Mit dennoch spürbarer Wirkung.