Bürgerrechte: Das Ende des „Patrioten-Gesetzes“
Ein US-Bundesgericht erklärt Überwachungsstrategien für verfassungswidrig. Schon werden weitere Klagen vorbereitet.
Washington. Ein US-Bundesgericht hat wichtige Passagen des umstrittenen "Patriotengesetzes" für verfassungswidrig erklärt und das Bundeskriminalamt FBI aufgefordert, die willkürliche Überwachung unschuldiger Zivilisten zu unterlassen. Die Regierung von US-Präsident George W. Bush betrachtet das Urteil als Rückschlag im Kampf gegen den Terrorismus und will nun Berufung einlegen.
Der zuständige Richter Victor Marrero ließ kein gutes Haar an den Methoden des FBI, das seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mehr als 50 000 Mal die sogenannten "National Security Letters" (NSLs) benutzte, um Telefongesellschaften und Internetanbieter zu zwingen, die Privatdaten ihrer Kunden preiszugeben und sowohl das Abhören von Telefonaten als auch die Überwachung des E-Mail-Verkehrs zuzulassen.
Zwar existierten die "Nationalen Sicherheitsbriefe" bereits vor den Anschlägen vom 11. September 2001. Doch während sie früher nur in Sonderfällen zum Einsatz kamen, lockerte das im Oktober 2001 verabschiedete Patriotengesetz die Voraussetzungen, unter denen die Gerichte umgangen werden können. Die Folge: Das FBI ließ sich willkürlich SNLs ausstellen und verzichtete fast gänzlich auf den Rechtsweg.
Marrero beschimpfte die Methoden der Ordnungshüter als "das rechtliche Äquivalent eines dreisten Hauseinbruchs und Diebstahls." Besonders anstößig ist nach Ansicht des Richters, dass den Telefon- und Internetfirmen dann noch eine unbefristete Schweigepflicht auferlegt wird. Das FBI begründet das Vorgehen damit, dass beschattete Terrorverdächtige nicht erfahren sollen, dass sie überwacht werden. Anders sieht es das Gericht: Die Behörde überschreitet damit eindeutig ihre Kompetenzen und verletzt die in der US-Verfassung garantierte Trennung der Staatsgewalten.
Das Urteil geht auf eine Klage des American Civil Liberties Union (ACLU) zurück, die sich als eine Art Überwachungsorgan zur Einhaltung von Bürgerrechten versteht und seit Jahren die Ansicht vertritt, dass die Bush-Regierung den Antiterrorkampf lediglich als Vorwand benutzt, um die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.
ACLU Präsident Anthony Romero bezeichnete das Gerichtsurteil als "Denkzettel für eine Regierung, die sich seit Jahren routinemäßig über die Verfassung hinwegsetzt."
Seit den verheerenden Terroranschlägen in New York und Washington, die sich kommende Woche zum sechsten Mal jähren, muss die US-Regierung eine schwierige Gratwanderung meistern: Wie schützt man die Nation vor Terroristen, ohne die Rechte der eigenen Bürger zu verletzen? Ein hohes Gericht entschied nun, dass die Behörden eindeutig über die Stränge geschlagen haben. Unter gewissen Umständen müssen Terrorverdächtige im Interesse der nationalen Sicherheit überwacht werden, womöglich auch ohne Einbindung der Gerichte. Zu einer reinen Routine darf die willkürliche Überwachung unschuldiger Zivilisten aber nicht werden, dann ist in den USA der Rechtsstaat ganz schnell am Ende.