Chodorkowski: Vom Straflager ins Hotel „Adlon“
Völlig überraschend kommt Michail Chodorkowski nach Berlin. Hinter den Kulissen wurde lange verhandelt.
Moskau/Berlin. Wie in einem Agententhriller ist die Ausreise des prominentesten politischen Gefangenen Russlands nach Deutschland inszeniert. Nach zehn Jahren wird Michael Chodorkowsi (50) aus dem Straflager entlassen - Abflug per Helikopter, weiter mit einem Privatjet, ein Pass und das nötige Visum liegen schon bereit. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (86) hat ihn nach Berlin gelotst und holt ihn persönlich am Flughafen Schönefeld ab.
Der schärfste Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin habe darum gebeten, nach Berlin zu reisen, weil in Deutschland seine an Krebs erkrankte Mutter Marina Chodorkowskaja (kleines Foto) behandelt werde, hieß es in Russland. Die alte Dame ist nach eigenen Angaben in Russland, wird aber zur weiteren Behandlung in Deutschland zurückerwartet. DIe Eltern wirkten gestern völlig überrascht.
Genscher sagte, Chodorkowski sei „erschöpft, aber sehr glücklich, endlich in Freiheit zu sein“. Am heutigen Samstag wolle er „seine Familie in die Arme schließen“, sagte der FDP-Politiker. Man solle ihm ein paar Tage Ruhe gönnen.
Beobachter gehen davon aus, dass Chodorkowski im Hotel „Adlon“ logiert. Dazu passt, dass Genscher gestern um 17.05 Uhr das Hotel verließ. In einer Online-Erklärung dankte Chodorkowski Genscher für dessen Hilfe. Seine Anwälte hatten den deutschen Politiker um Unterstützung gebeten. Der Kremlkritiker sagte, er habe am 12. November ein Gnadengesuch an Präsident Putin gerichtet und dabei familiäre Gründe angeführt. Damit habe er aber keineswegs eine Schuld eingestanden. Genscher wiederum dankte Putin, dass er ihn zweimal in der Angelegenheit empfangen habe.
In seinen Bemühungen sei er von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Ex-Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und dem deutschen Botschafter in Moskau unterstützt worden. Merkel begrüßte die Freilassung Chodorkowskis, auch Bundespräsident Joachim Gauck ist laut einer Sprecherin „erfreut“.