Dan Mulhall: „Wir zeigen, wie ein Land aus der Krise kommen kann“
Berlin. Der irische Botschafter in Berlin, Dan Mulhall, über Schuldenprobleme, die Krawalle in Belfast, und die Ratspräsidentschaft Irlands.
Herr Botschafter, seit 40 Tagen gibt es in Belfast schwere Ausschreitungen, weil die britische Flagge nicht mehr täglich auf dem Rathaus weht. Befürchten Sie, dass die Unruhen den Frieden zwischen Protestanten und Katholiken gefährden?
Dan Mulhall: Es ist wirklich ein großer Erfolg für Nordirland und Großbritannien, dass wir seit zehn Jahren Frieden im Land haben. Ich bin der Meinung, dass die große Mehrheit der Bevölkerung alles dafür tut, in einem friedlichen und wohlhabenden Land zu leben. Wir hoffen, dass die demokratischen Parteien jetzt zusammenarbeiten werden, um dieses Problem zu lösen.
Inwieweit kann die Regierung in Dublin dabei helfen?
Mulhall: Unsere Regierung hat klar gesagt, dass die Politiker in Nordirland ein Ende der Gewalt herbeiführen müssen.
Mit Irland hat zum 1. Januar erstmals ein Land die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, das wegen der Schuldenkrise internationale Hilfen beantragen musste. Ist das eine Bürde für die sechs Monate der Ratspräsidentschaft?
Mulhall: Nein, es ist eine Chance. Irland ist ein Land im Wiederaufschwung, ein Land, das den Wiederaufschwung Europas vorantreiben wird. Wir werden unsere Erfahrungen seit 2008 dazu nutzen, um zu zeigen, wie ein Land aus der Krise kommen kann.
Ist Irlands Krise wirklich vorbei?
Mulhall: Wir haben vier schreckliche Jahre erlebt. Unsere Wirtschaft ist um ungefähr zehn Prozent geschrumpft zwischen 2008 und 2010. Im Jahr 2011 ist sie wieder 1,4 Prozent gewachsen, 0,9 Prozent im vergangenen Jahr. Wenn man berücksichtigt, wie schlimm die Weltwirtschaftssituation 2012 war, sind das gute Zahlen. Dieses Jahr erwarten wir ein Wachstum von 1,5 Prozent.
Ist Irland auf einem guten Weg?
Mulhall: Wir stehen noch vor vielen Herausforderungen. Allein die Arbeitslosigkeit beträgt zurzeit 14,6 Prozent. Die Bankenschuld beträgt 64 Milliarden Euro. Unsere Steuerzahler haben viel Geld für die Rettung der Banken bezahlt. Aber wir haben dieses Geld nicht nur bezahlt, um Irlands Banken zu retten, sondern auch, um das Bankensystem in Europa zu stabilisieren.
Was für eine Forderung leiten Sie daraus ab?
Mulhall: Wir verhandeln zurzeit mit der EZB um bessere Bedingungen. Wir brauchen kein zweites Hilfsprogramm, keinen Schuldenschnitt. Aber wir brauchen bessere Bedingungen zur Rückzahlung dieses Geldes.
Sehen Sie, dass es aufwärts geht?
Mulhall: Vergangene Woche haben wir Staatsanleihen im Wert von 2,5 Milliarden Euro verkauft. Die Anleger in der Welt sind also zuversichtlich, was die Zukunft Irlands betrifft. Aber wir brauchen mehr Unterstützung, damit wir erfolgreich aus dem Rettungsschirm ausscheiden können.
Was können Griechenland oder Spanien von Irland lernen?
Mulhall: Unsere Botschaft ist, dass es möglich ist, ein kleines Land wie Irland durch verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, Reformen und durch Sparmaßnahmen aus der Krise zu führen.
Sie locken aber auch mit niedrigen Steuern.
Mulhall: Ja. Leider haben wir keine großen Unternehmen wie etwa Deutschland. Wir sind eine Insel und weit entfernt von den großen Märkten Europas. Die Investitionen müssen zu uns kommen. Dafür muss es Anreize geben. Warum soll ein deutsches Unternehmen in Irland investieren, wenn es in NRW oder Bayern gleich gute Bedingungen hat?
Die Iren gelten als überzeugte Europäer. Was halten Sie von den Bestrebungen in Großbritannien, sich aus der EU zu verabschieden?
Mulhall: Jedes Land muss selbst über seine Zukunft entscheiden. Für uns ist es aber sehr wichtig, dass Großbritannien im Kern Europas bleibt.