Kommentar Das Beben der Europawahl endet nicht
Meinung · Auch mit Abstand wird das Ergebnis der Europawahl nicht einfacher. Vielmehr verdichten sich die Anzeichen dafür, was in Deutschland innenpolitisch droht. Ein Kommentar.
Auch mit dem Abstand von zwei Tagen wird das Ergebnis der Wahl am Sonntag zum Europa-Parlament nicht einfacher. Vielmehr verdichten sich die Anzeichen dafür, was in Deutschland innenpolitisch droht, und wie die Europäische Union in den nächsten Jahren zu kämpfen haben wird. Zweifellos sind sowohl Deutschland als auch die EU insgesamt weiter nach rechts gerückt. Diese Entwicklung ist allerdings nicht neu. Sie hat Statistiken zufolge mit der Osterweiterung der Nato im Jahr 2004 begonnen und nun, 20 Jahre später einen neuen Höhepunkt erreicht. Für das EU-Parlament und für die EU-Kommission, die noch von der Deutschen Ursula von der Leyen geleitet wird, ergeben sich dadurch neue Herausforderungen. Angesichts der Verschiebung des Parlamentes hin zu nationalistischen Kräften, ist beispielsweise nicht mehr gewiss, dass die EU die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter fast vorbehaltlos unterstützt.
Denn mit der Verschiebung der Kräfte im EU-Parlament sind auch innenpolitische Veränderungen in den einzelnen Staaten verbunden. In Italien etwa haben die Postfaschisten um Giorgia Meloni noch einmal deutlich zugelegt. Es ist logisch, dass die Regierungschefin diesen Rückenwind mit nach Brüssel nehmen wird. Aber anders als Marine Le Pen steht Meloni bisher noch an der Seite der Ukraine. Le Pens Partei, Rassemblement National, gilt als russlandfreundlich. Und Le Pen könnte Staatspräsidentin werden, nachdem Amtsinhaber Emmanuel Macron Neuwahlen angeordnet hat. Dessen Abwahl hätte damit womöglich Einfluss auf die Russlandpolitik der EU.
In Deutschland hat die Europawahl den Graben zwischen Ost und West vertieft. Allein in Sachsen kommen AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht auf fast 50 Prozent der Wählerstimmen. In allen Ostländern ist die AfD deutlich stärkste Kraft. Das antieuropäische und antidemokratische Beben hat in den neuen Bundesländern längst eingesetzt. Und der Wahl-Sonntag lässt befürchten, dass es bis September zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht endet. Dann könnte der Osten die Republik verändern.