Das große Problem des kleinen Belgien

Das Land ist wegen des Streits zwischen Flamen und Wallonen in einer Dauerkrise.

Brüssel. Belgien ist ein kleines Land mit einem großen Problem: dem Sprachenstreit. Mag die erbitterte Auseinandersetzung im Ausland auch als Kuriosität belächelt werden, so sorgt das Sprachenproblem seit Jahren für Fehden, Gerichtsurteile und jetzt wieder für den Rücktritt der Regierung. Mitten in einer tiefen Wirtschaftskrise und ausgerechnet kurz vor Übernahme der EU- Präsidentschaft ist die Regierungskoalition in Belgien zerbrochen. Wie es weitergeht, ist offen.

Es ist nicht nur die Frage nach der politischen Zukunft des Landes, die sich stellt, sondern auch nach dem Zusammenleben der insgesamt zehn Millionen Flamen und Wallonen im Königreich Belgien. Immer lauter fordern in Flandern radikale Politiker die Trennung von der Wallonie und damit das Ende des belgischen Staates.

Nun droht das Königreich mal wieder am Sprachenstreit zu zerbrechen. Der aktuelle Streit dreht sich um die Minderheitenrechte von französisch-sprachigen Belgiern, die im Umland von Brüssel leben. Diese Region gehört zu Flandern, wo gewöhnlich Niederländisch gesprochen wird. Flämische Politiker wollen die Rechte der dortigen Frankophonen beschneiden. Konkret geht es um den neuen Zuschnitt des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde rund um die Hauptstadt Brüssel.

König Albert II., der als Symbol für die Einheit der Nation gilt, rief eilig zur Geschlossenheit auf. Der Kern des Streits währt seit der Unabhängigkeit des Landes 1830 und ist auch in den vergangenen Jahrzehnten durch die wachsende Autonomie keineswegs einfacher geworden. "Belgien ist ein Land, das dringend befriedet werden muss", sagte die christdemokratische Ministerin Joëlle Milquet.

Denn die Flamen, die 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind der Meinung, der Bundesstaat gebe ihnen keine ausreichenden Möglichkeiten zur Entfaltung. Sie verlangen mehr Autonomie - in der Politik, bei Steuer- und Arbeitsmarktfragen. Unmut ruft hervor, dass das reichere Flandern dem von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Wallonien jedes Jahr hohe Summen als Finanzausgleich überweist.

Ob Regierungschef Yves Leterme, der erst seit fünf Monaten an der Regierung ist, für die Befriedung der richtige Mann ist, darf bezweifelt werden. 2007 ließ sich Leterme zu der Äußerung hinreißen, die französischsprachigen Belgier seien offensichtlich "nicht intelligent genug", um die niederländische Sprache zu erlernen. Über die Gemeinsamkeiten des Landes urteilte er: "Belgien, das sind der König, die Fußballmannschaft und ein paar Biersorten." Zudem stolperte er mit seiner ersten Regierung über eine Banken-Affäre und kam nur erneut ins Amt, weil Herman Van Rompuy Ende 2009 EU-Ratsvorsitzender wurde.

Doch jetzt scheint eine Fortführung seiner Koalition mit hauchdünner Mehrheit die einzige Lösung zu sein. Belgische Medien spekulierten allerdings auch über vorgezogene Neuwahlen.