Der Kompromiss mit den Vertriebenen
Analyse: Warum sowohl Westerwelle als auch Steinbach gut mit dem Ergebnis leben können.
Berlin. Die schwarz-gelbe Koalition hat zumindest ein Streitthema weniger. Erika Steinbach, die Präsidentin der Vertriebenen, macht einen Rückzieher vom Aufsichtsrat der Vertriebenen-Gedenkstätte. Dennoch hat ihr Bund der Vertriebenen (BdV) deutlich von der Einigung in dem monatelangen Poker profitiert.
Als Außenminister Guido Westerwelle (FDP) seinen Antrittsbesuch in Warschau machte, wusste er sehr genau, dass Steinbach ein rotes Tuch in Polen ist. Die CDU-Abgeordnete hatte 1991 im Bundestag nicht für die Oder-Neiße-Grenze gestimmt. Westerwelle sagte dem Nachbarland Ende Oktober zu, dass die Beziehungen nicht getrübt werden sollen. "Wir wollen, dass das ein Projekt ist, das unsere Länder zueinanderbringt, ein Beitrag zur Versöhnung. Wir werden alles unterlassen, was diesem Gedanken entgegensteht."
Danach begann ein wahrer Poker zwischen Erika Steinbach und der Bundesregierung. Steinbach wollte in die Chefetage der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" - den Stiftungsrat. Drei von 13 Sitzen gehören bisher dem Bund der Vertriebenen, ein Sitz war wegen des Streits demonstrativ frei. Westerwelle kündigte ein Veto an, falls Steinbach diesen Sitz besetzt. Die Regierung hatte nämlich bisher das letzte Wort bei der Benennung. Anfang Januar legte Steinbach dann einen Forderungskatalog vor - mit offensichtlich neuer Frist bis Ende Januar. Sie stellte einen Rückzug von dem Rat in Aussicht, allerdings nur, wenn die Regierung auf ihr Vetorecht bei der Besetzung verzichtet.
Steinbach hat hoch gepokert und viel gewonnen: Sie ist zwar nicht mehr in dem Stiftungsrat vertreten, aber ihr BdV hat eine Verdoppelung der Sitze durchsetzen können. Das Gewicht des BdV in dem Aufsichtsgremium steigt von 23 Prozent auf 29 Prozent, auch wenn der Einfluss des Bundestages und der Kirchen ebenfalls zunimmt. Dazu kommt: Die Bundesregierung gibt ihr Vetorecht auf, die Ausstellungsfläche der Stiftung im Berliner Deutschlandhaus wird vergrößert, und ein Archiv in Bayreuth wird öffentlich zugänglich gemacht.
"Ich möchte keinen Triumph haben", sagt die Vertriebenen- Präsidentin. "Es gibt weder Gewinner noch Verlierer." Einvernehmlich seien alle auseinandergegangen. "So glaube ich, dass am Ende alle Beteiligten sagen können: Es dient der Stiftung und nicht den einzelnen Befindlichkeiten." Erpressung sei dies nicht gewesen.
Der Strippenzieher im Hintergrund war Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Er hat sich den Kompromiss ausgedacht. "Es ist eine runde Lösung", sagte Neumann. Auch FDP-Vormann Westerwelle ist zufrieden. Vielleicht nicht zuletzt, weil die schwarz-gelbe Koalition weiter das letzte Wort bei der Besetzung des Stiftungsrats hat.