Der Neuling aus Deutschland

Außenminister Guido Westerwelle übt sich beim ersten EU-Einsatz in Bescheidenheit.

Brüssel. Guido schweigt, und das ist dankenswert. Wenn die 27 EU-Staaten auf Minister- oder gar auf Gipfelebene beratschlagen, ist jedes nicht gesagte Wort ein Gewinn. Angenommen jeder redet nur fünf Minuten, dann sind das schon zweieinviertel Stunden. Pro Thema. Schön, wenn einer die Klappe hält. Das ist die gesprächsökonomische Seite.

Hinzu kommt die politisch-psychologische: Die Kollegen, zum Teil schon Jahre im Amt, haben nicht darauf gewartet, dass ihnen der Neue die Welt erklärt. So hat Bundesaußenminister Westerwelle auf seiner Jungfern-Ausfahrt nach Brüssel einen Guido gegeben, den man zu Hause nicht so kennt: eher demütig als vorlaut, eher lernbegierig als altklug.

Apropos Vorurteile - an Sprachproblemen hat die Zurückhaltung nicht gelegen. Bei den Außenministern wurde überwiegend Englisch parliert, aber damit hat der FDP-Mann weniger Mühe, als Spötter vermuteten. Die bereitgestellte Dolmetscherin für die Antrittsvisite beim EU-Chefdiplomaten Javier Solana musste nicht eingreifen.

Das will etwas heißen: Solana nuschelt in einem Idiom, das man nur mit einiger Anstrengung als Englisch identifizieren kann. Auch beim Arbeitsfrühstück am Freitag, zu dem der Deutsche die Kollegen Asselborn (Luxemburg), Leterme (Belgien) und Verhagen (Niederlande) ins Innenstadthotel Amigo eingeladen hatte, kam das Englische hilfsweise zum Einsatz: "Der hat sich hingesetzt und zugehört", berichtet Asselborn. "Das war klug, sonst fällt man schnell auf die Nase."

Dabei hätte es den Steinmeier-Nachfolger reizen können, den Top-Termin zu Beginn seiner Amtszeit zum Triumph-Auftritt auszuwalzen. Brüssel, das Justus-Lipsius-Gebäude des EU-Ministerrats - da hatte ja nicht nur der verbindliche Vorgänger Steinmeier seinen Job gemacht. Dort hatte auch der weniger verbindliche Vor-Vorgänger Joschka Fischer ausladend Hof gehalten.

Kaum einen hat der einstige Obergrüne so gedemütigt wie den angeblichen Leichtmatrosen "Gu-iii-doh". Der muss sich als Fischers Brüsseler Erbe vorkommen wie einst Michael Stich nach dem Wimbledon-Sieg über Boris Becker. Aber wenigstens lässt er es sich nicht anmerken. Einen "Heidenrespekt" habe er gehabt, beeindruckt sei er gewesen, und vielleicht war er ein wenig verkrampft um die Vermeidung von Fehlern bemüht sowie um den Schulterschluss mit der Kanzlerin.

Aber gesagt, wo es lang geht, hat er nicht. War auch nicht nötig, denn die Kollegen seien nicht nur außerordentlich freundlich, sondern auch extrem gut orientiert über die außenpolitischen Positionen der FDP gewesen.

Am Ende des Gipfels war er jedenfalls schon fast wieder der Alte. Es könne keine Rede davon sein, "dass ich des Englischen nicht mächtig wäre", erklärte Westerwelle auf der abschließenden Pressekonferenz. Sprach’s und wünschte "Have a nice day!"