Die neue SPD-Spitze nach Dresden
Dresden (dpa). Kein Platz für Aberglaube: Sigmar Gabriel istglatt zum 13. SPD-Vorsitzenden nach dem Krieg gewählt worden - unddas auch noch an einem Freitag, dem 13.. Bei den anderen Wahlenmusste nur die neue Generalsekretärin Andrea Nahles einen Dämpferhinnehmen.
Die neue Parteispitze in Kurzporträts:
Parteivorsitzender:
SIGMAR GABRIEL: Mit 50 Jahren jüngster Parteichef seit WillyBrandt. Umweltminister in der großen Koalition. Profilierte sich imWahlkampf mit Attacken gegen Atomkraft. Griff nach dem Wahldesasterentschlossen nach dem SPD-Vorsitz. Gilt als politisches Naturtalent,geschickter Verkäufer und Selbstvermarkter, begnadeter Rhetoriker mitPolemik und Witz. Der gelernte Lehrer aus Goslar scheiterte aberwiederholt an seinem Temperament. Seit 1977 SPD-Mitglied, mit 40jüngster deutscher Ministerpräsident in seinem HeimatlandNiedersachsen (1999-2003). Nach der Abwahl Wechsel nach Berlin undIntermezzo als „Pop-Beauftragter“ der Sozialdemokraten, was ihm eherSpott als Anerkennung einbrachte („Siggi Pop“). Liiert mit einerZahnärztin aus Magdeburg.
Die vier Partei-Vize:
MANUELA SCHWESIG (36): Junge Ostfrau mit Sozialkompetenz undBlitz-Karriere. Erst seit kurzem Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier holte sie fürFamilienpolitik in sein Wahlkampfteam - als „strahlender Nordstern“und „Ursula Leyen von der SPD“. Die gebürtige Brandenburgerinstudierte Steuerrecht und folgte ihrem Mann nach Schwerin. Dortengagierte sie sich zunächst in der Kommunalpolitik, bevor sie imOktober 2008 ins Schweriner Kabinett eintrat - als bundesweit jüngsteLandesministerin. Die Mutter eines zweijährigen Sohnes ist politischnoch ein unbeschriebenes Blatt und gilt bislang als zu vorsichtig. Obsich Schwesig in der Führungsriege profilieren kann, ist unsicher.
HANNELORE KRAFT (48): SPD-Chefin in Nordrhein-Westfalen, wo sie imMai 2010 als Spitzenkandidatin gegen CDU-Amtsinhaber Jürgen Rüttgersdie nächste wichtige Landtagswahl bestehen muss. Die gelernteBankkauffrau und studierte Wirtschaftswissenschaftlerin sieht sichselbst als Pragmatikerin, die keinem SPD-Flügel angehört. Auch ohneden typischen Stallgeruch und die übliche Ochsentour machte sie imgrößten SPD-Landesverband schnell Karriere - zunächst als Europa- unddann bis Mai 2005 als Wissenschaftsministerin. Seit demSPD-Machtverlust auch Fraktionschefin in Düsseldorf. Bundespolitischbislang noch in der zweiten Reihe. Verheiratet, ein Sohn.
KLAUS WOWEREIT (56): Regierender Bürgermeister von Berlin undschon seit acht Jahren an der Spitze einer rot-roten Koalition. Giltdeshalb - für nicht wenige in der SPD irrtümlich - als Linker sowieals Wegbereiter einer bundesweiten Öffnung zur Linkspartei.Hoffnungsträger mit Ambitionen auf die nächste Kanzlerkandidatur. Mit56 Jahren schon der Senior innerhalb der neuen SPD-Spitze. GelernterJurist, passionierter Partygänger, Skat- und Golfspieler und nichtbei allen in der Partei sonderlich beliebt. Lebt mit einem Arztzusammen. Bekanntester Satz, immer noch: „Ich bin schwul - und dasist auch gut so.“
OLAF SCHOLZ (51): Bis vor kurzem Bundesarbeitsminister, aberschon wieder gut beschäftigt: als Fraktions-Vize im Bundestag fürInnen und Recht zuständig. Seit dem letzten Wochenende - zum zweitenMal nach Unterbrechung - auch SPD-Landesvorsitzender in Hamburg. DerFachanwalt für Arbeitsrecht hat schon viele Karriere-Stationen hintersich: Innensenator in Hamburg, SPD-Generalsekretär undParlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Früherwegen arger Funktionärssprache als „Scholzomat“ gescholten, zuletzteiner der Aktivposten in der großen Koalition. Verheiratet mit einerHamburger SPD-Politikerin.
Generalsekretärin:
ANDREA NAHLES (39): Trotz ihres Alters schon lange im SPD-Geschäftaktiv. Bislang stellvertretende SPD-Vorsitzende. Einst Chefin derNachwuchsorganisation Jusos und für kurze Zeit schon einmal alsGeneralsekretärin vorgesehen: 2005, gegen den Willen von FranzMüntefering, der deshalb nicht mehr Parteichef sein wollte. BegabteStrippenzieherin aus Rheinland-Pfalz, Germanistin und bekennendeKatholikin. Sieht sich nicht unbedingt mehr als Vertreterin deslinken Flügels. Gilt bei vielen in der SPD als Frau für noch höhereAufgaben. Liiert mit einem Bonner Kunsthistoriker.
Schatzmeisterin:
BARBARA HENDRICKS (57): Hat viel Übung im Umgang mit viel Geld. Bundesschatzmeisterin seit 2007, Landesschatzmeisterin in Nordrhein-Westfalen von 1996 bis 2001. Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium von 1998 bis 2007. Sitzt seit 1994 im Bundestag. Muss nach dem schlechten Wahlergebnis der SPD künftig einen Sparkurs fahren, weil die Einnahmen aus der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung zurückgehen werden. Liebt ihre Heimat, den Niederrhein, und wohnt während der Sitzungswochen in Berlin in einer Wohngemeinschaft zusammen mit zwei anderen SPD-Parlamentarierinnen.
Bundesgeschäftsführerin (wurde in Dresden nicht gewählt, wird noch von SPD-Führung benannt):
ASTRID KLUG (41): Bislang Parlamentarische Umwelt-Staatssekretärin bei Gabriel. Die Saarländerin verlor bei der Wahl auch ihr Bundestagsmandat. Hatte sich eigentlich auf eine Auszeit eingestellt. Die gelernte Bibliothekarin zählt sich sowohl zu den reformorientierten Netzwerkern als auch zu den SPD-Linken. In der SPD-Zentrale muss Klug den Neuaufbau organisieren und einen anstehenden eisernen Sparkurs nach der Wahlpleite sozialverträglich durchsetzen. Nach Anke Fuchs erst die zweite Frau in diesem Amt.