Die Reklame eines Abtreibungsanbieters spaltet Großbritannien

Debatte: Ein britischer TV-Sender will erstmalig einen Werbespot für Abtreibung ausstrahlen. In Nordirland ist er bereits verboten worden.

London. Seit 40 Jahren sind Schwangerschaftsabbrüche in England erlaubt, doch über sie spricht man heute nicht offener als damals. Das Tabuthema will nun ein Fernsehsender knacken: Pfingstmontag strahlt Channel 4 erstmals Reklame eines Abtreibungsanbieters aus. Die Wogen der Empörung schlagen hoch.

Die junge Frau steht an der Bushaltestelle und schaut bedrückt auf die Straße vor ihr. "Bist Du überfällig?", fragt ein Textband am Rand. Dann flimmern die Kontaktdaten von "Marie Stopes International" über den Bildschirm.

Die wütenden Reaktionen eilen dem Tabubruch bereits voraus: Der TV-Spot wurde noch nicht ausgestrahlt, da steht er schon im Kreuzfeuer der Kritik. "Für eine Abtreibung muss man sich nicht schämen, aber man sollte damit auch nicht hausieren gehen", wettert ein Boulevardblatt. Bischöfe und Abtreibungsgegner machen erst recht mit moralischen Argumenten und drastischen Formulierungen mobil. Michaela Aston von der Gruppe "Life" kritisiert, dass der TV-Spot Abtreibungen salonfähig mache.

Und Peter Saunders, Vertreter der christlichen Mediziner, fürchtet, dass "noch mehr Frauen auf dem Fließband der hiesigen Abtreibungsindustrie landen" werden. Selbst Befürworter sehen der Werbung mit gemischten Gefühlen entgegen: Es sei geschmacklos, heißt es, Abbrüche wie Waschpulver zu bewerben.

Jährlich 65000 Abbrüche führt die Nonprofit-Organisation in England und Wales durch. Jede dritte Frau habe schon einmal abgetrieben, argumentiert der Anbieter, doch nur 42 Prozent wüssten, an wen sie sich bei einer ungewollten Schwangerschaft wenden können. "Es hilft keinem, das Thema unterm Deckel zu halten", sagt Julie Douglas, Sprecherin der Organisation.

Die jährlich 350000 Anrufe bei der Notrufnummer der Organisation zeigen allerdings, dass fehlende Ansprechpartner nicht das Hauptproblem sein dürften. Die Ausstrahlung des Werbespots ausgerechnet inmitten der neuen Quiz-Show "The Million Pound Drop Live" soll vielmehr die soziale Isolation ungewollt Schwangerer durchbrechen.

In Nordirland ist der Fernsehspot bereits verboten worden; in England kämpfen die Abtreibungsgegner in letzter Minute noch gegen seine Ausstrahlung. Ihr Einsatz dürfte allerdings vergeblich sein, da die Aufsichtsbehörden den Spot bereits genehmigt haben.