Die Rückkehr des Kronzeugen
Wer Komplizen verpfeift, bekommt Strafrabatt - so möchte es die Bundesregierung. Doch die neue Kronzeugenregelung stößt bei der Opposition auf scharfe Kritik.
Berlin (AFP/dpa). Der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf für eine neue Kronzeugenregelung stößt bei der Opposition auf scharfe Kritik. "Das öffnet Tür und Tor für Deals mit Schwerstverbrechern", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Die Neuregelung unterhöhle den Rechtsstaat.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete die neue Kronzeugenregelung als "unerlässlich" zur effektiveren Aufklärung schwerer Straftaten. GdP-Chef Konrad Freiberg sagte, vor allem beim islamistischen Terrorismus könne auf "Insider-Informationen" nicht verzichtet werden. Da diese oftmals Mittäter seien, könnten sie nur durch Strafmilderung oder Straferlass zur Aussage bewegt werden.
Völlig straffrei soll ein Kronzeuge nur dann ausgehen können, wenn er auch ohne seine Aussage zu einer höchstens dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden wäre. Ansonsten kommt nur Strafmilderung in Betracht. Bei Mord soll für Kronzeugen eine Mindesthaftzeit von zehn Jahren gelten.
Es stimmt ja: Eine Justiz, die mit einem Straftäter paktiert, um einen anderen - den dickeren Fisch - zu überführen, folgt nicht der reinen rechtsstaatlichen Lehre. Und der Handel mit der Gerechtigkeit birgt durchaus Gefahren für die Wahrheitsfindung, denn: Welchen Beweiswert hat eine Aussage, mit der jemand doch nur seine eigene Haut retten will und daher seine Komplizen vielleicht zu Unrecht belastet?
Doch diese Argumente müssen nicht gegen eine Kronzeugenregelung sprechen, sondern sollten dazu mahnen, sie besonders sorgsam anzuwenden. Denn hilfreich bei der Verbrechensbekämpfung und Verbrechensverhütung kann sie durchaus sein. So gibt es zum Beispiel im Bereich der Drogendelikte eine Kronzeugenregelung - und da führt sie in der Praxis dazu, dass der kleine Dealer, um seine eigene Haut zu retten, die Verbindungen zu den höheren Hierarchiekreisen des Drogenrings offenlegt. Noch wichtiger ist der mögliche präventive Effekt: Der gegen eine Terrororganisation aussagende Kronzeuge könnte mit dieser Aussage am Ende Terrorakte verhindern.