Krippen: Städte sind zurückhaltend

Kleinkinder: Was die Verwaltungen im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung von der in Berlin beschlossenen Regelung halten.

Düsseldorf. Vor Ort muss sie umgesetzt werden - die in Berlin beschlossene Regelung zu den Krippenplätzen. Und wie ist die Reaktion vor Ort? Einschätzungen aus dem Verbreitungsgebiet unserer Zeitung.

Zurückhaltend nimmt die Stadt Düsseldorf die Einigung der Koalitionäre auf. Grundsätzlich begrüßt man die Beteiligung des Bundes am Ausbau der Krippenplätze für Kleinkinder, allerdings sei das Finanzierungsvolumen eindeutig zu gering, sagte Jugenddezernent Burkhard Hintzsche: "Vor allem, weil ein Teil der vier Milliarden Euro ja für Investitionen und nicht für die laufenden Betriebskosten vorgesehen ist."

Abwarten müsse man zudem den konkreten Verteilungsschlüssel, insbesondere die Beteiligung des Landes: "Es muss sicher seine Pläne zum Kinderbildungsgesetz ändern", sagte Hintzsche, "wir fordern zum Beispiel, dass Großstädte finanziell überproportional ausgestattet werden, denn hier ist der Bedarf am größten". Eine Deckelung des Budgets komme nicht in Frage: "Jeder Betreuungsplatz, der bedarfsgerecht ist, muss von der Finanzierung durch Bund und Land profitieren", verlangt der Jugenddezernent.

Das finanzstarke Düsseldorf hat aus eigener Kraft die Hortplätze für Kinder unter drei Jahren erheblich ausgebaut. Schon jetzt liegt die Betreuungsquote bei über 15 Prozent, bis 2010 sollen es 25 Prozent sein. Hintzsche: "Wenn Bund und Land ihre Verpflichtungen voll erfüllen, können wir bis 2013 die 35 Prozent realisieren. Entsprechende Pläne haben wir in der Schublade."

Stefan Kühn (SPD), Sozialdezernent in Wuppertal, sieht in der Berliner Entscheidung bei aller Vorsicht einen Schritt in die richtige Richtung: "Es sieht so aus, als erhielten die Kommunen Geld für die Finanzierung der Kinderbetreuung." Jedoch dürfe sich das nicht auf eine Anschubfinanzierung beschränken. In Wuppertal gibt es zurzeit 224 städtische Krippenplätze. Der Bedarf liegt um ein zigfaches höher. Zu den Krippenplätzen kommen 200 Plätze bei Tagesmüttern. Ab 1. August gibt es erstmals einen Elternzuschuss bei der Unterbringung in Spielgruppen. Neu ist auch die Öffnung der Regelgruppen in den Kindergärten für Zweijährige. Rund 70 Betreuungsplätze wurden so bisher geschaffen.

"Das ist zunächst Zukunftmusik", erklärt Krefelds Jugenddezernent Roland Schneider. Als gesetzliche Grundlage für den Ausbau der Angebote für unter Dreijährige gilt bisher das Tagesbetreuungs-Ausbaugesetz. Danach ist es erklärtes Ziel, bis 2010 ein bedarfsgerechtes Angebot für unter Dreijährige von 20 Prozent zu schaffen. Er als Dezernent habe den Auftrag, die dafür notwendigen Mittel für den Haushalt 2008 zu benennen. Außerdem müssten die Anforderungen aus dem noch zu verabschiedenden neuen "Kinderbildungsgesetz" eingearbeitet werden. Auch sei es sinnvoll, erst einmal abzuwarten, wie sich das neue Elterngeld auswirkt. "Deshalb ist es sinnvoll, den Zeitpunkt für die Umsetzung des neuen Rechtsanspruchs auf 2013 zu setzen", sagt Schneider.

Schon jetzt bietet Neuss für 14 Prozent der unter Dreijährigen einen Krippenplatz an, aber auch hier stehen zahlreiche Kinder auf der Warteliste. Derzeit versucht die Stadt, die Zahl der Plätze auszubauen. "Wo Kindergartenplätze frei werden, da schaffen wir Unter-Drei-Plätze", so Bürgermeister Herbert Napp (CDU). Positiv sieht er die Nachricht, dass der Bund den Kommunen vier Milliarden Euro zur Verfügung stellen will, obwohl Berlin den Städten und Gemeinden eigentlich keine Mittel direkt zuweisen darf. "Wie das funktionieren soll, ist mir noch völlig unklar." Die mögliche Lösung über eine Stiftung ist für den Neusser Bürgermeister "ziemlich sympathisch": "Hauptsache, die Mittel werden nicht über das Land geleitet. Bekanntlich versickert da ja so manches."

Bodo Nowodworski, Sprecher der Bürgermeisterkonferenz im Kreis Mettmann, ist skeptisch. "Die Nachfrage ist groß, deshalb ist die Vereinbarung der Großen Koalition zu begrüßen. Der Rechtsanspruch ist aber problematisch, denn dann stellt sich erst recht die Frage, wer dieses Angebot bezahlen soll".

Klaus Balsam, Leiter des Jugendamtes Kempen: "Ich begrüße das neue Gesetz. Um es umzusetzen zu können, sind wir aber auf finanzielle Unterstützung vom Bund angewiesen. Wir werden auf jeden Fall unsere bisherigen Kindergärten erweitern müssen. Das heißt, wir müssen anbauen, höchstwahrscheinlich auch neu bauen. Kempen wird, anders als andere Städte, nicht schrumpfen. Wir können also nicht einfach Kindergartenplätze, die heute Drei- bis Sechsjährigen zur Verfügung stehen, in Zukunft den unter Dreijährigen zuteilen. Das neue Gesetz geht davon aus, dass 35 Prozent der unter Dreijährigen mit einem Krippenplatz versorgt werden müssen. Bisher haben wir eine Bedarfsdeckung von circa sechs Prozent."

Der Solinger Sozialdezernent Günter Smentek hält die Entscheidung für einen richtigen Schritt, sieht die Finanzierung aber skeptisch. "Die klassische Drittelung der Kosten zwischen Bund, Land und Kommunen wird nicht funktionieren", sagt der CDU-Mann. "Das Geld haben die Städte einfach nicht."