Berlin. Es ist ungewöhnlich, was derzeit in Berlin zu beobachten ist: Zwei Parteien, die nach der Wahl zusammen regieren wollen, reden sehr schlecht übereinander. Mehr noch: Hochrangige Vertreter einer dieser Parteien holen den mit Abstand beliebtesten Politiker der anderen Partei öffentlich vom Sockel.
Dirk Niebel, der Generalsekretär der FDP, beschimpft nun auch Karl-Theodor zu Guttenberg, Wirtschaftsminister der CSU, als "Bundeswahlkampfminister" - als jemand, der vieles angekündigt, aber bis heute fast gar nichts erreicht habe.
Dass sich die FDP auf Kosten der Union zu profilieren versucht und, nur ein Beispiel, mitten in der größten Finanzkrise hartnäckig fantastische Steuersenkungen verspricht, soll liberalen Wählern imponieren. Wenn der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer diese Steuersenkungsversprechen dann als unsoziale Märchenerzählungen abkanzelt, soll dies der sozial orientierten Unions-Klientel im Wahlvolk gefallen.
Wo vor vier Jahren im Wahlkampf noch seitenlange Programmpapiere geschrieben wurden, um die Gemeinsamkeiten zwischen Union und FDP zu unterstreichen, gibt es heute Verdächtigungen, Provokationen, Sticheleien, Herabwürdigungen.
Die rauflustige CSU etwa attestierte den Gelben "geistige Windstille". Und Kanzlerin Angela Merkel äußerte am Wochenende eine glasklare Verzichtserklärung auf einen Koalitionswahlkampf und erweiterte das Kombattantenfeld erheblich. Für Westerwelle ein Frontalangriff. Mit für ihn ungewöhnlicher Jetzt-reicht’s-Rhetorik ("Die schießen auf das falsche Tor") setzte sich der Ober-Liberale zur Wehr.
Schwarz-Gelb, sagt ein Unions-Politiker, der lange dabei ist, ist "längst kein quasi naturgesetzliches Bündnis mehr". Angela Merkel wisse sehr genau, dass es in einer Regierung gemeinsam mit FDP-Politikern wie Westerwelle, Solms und Brüderle auf der einen und zu Guttenberg und Ramsauer auf der anderen (CSU)-Seite niemals so sachlich-zielstrebig werden würde wie mit Steinmeier, Steinbrück und Scholz. Zumal die inhaltlichen Kontroversen absehbar sind. Ob bei den Bürgerrechten (Datenschutz) oder der Verteidigung (Abschaffung der Wehrpflicht), ob bei der Gesundheitspolitik oder beim Kündigungsschutz: FDP und Union hätten in einer Koalition nicht wenige Knackpunkte zu lösen.
Fazit in Unionskreisen: "Die Wunschpartner sind sich ein bisschen fremd geworden." Guido Westerwelle muss sich eingestehen, dass seine Duz-Freundin, die Kanzlerin, sich alle Türen offen hält. Auch die zu einer zweiten Großen Koalition.