Die Schweiz debattiert über die „Tüütschi“

Bei den Eidgenossen wächst die Skepsis gegenüber Zuwanderern aus Deutschland.

Zürich. Der Satz klang für deutsche Ohren fast niedlich: „Es hätt zvill Tüütschi“, sagte die Abgeordnete Natalie Rickli im Fernsehen. Die Worte lösten einen Debattensturm aus. Sind die knapp 280 000 Deutschen in der Alpenrepublik „zvill“, also: zu viele? Nehmen arrogante „Tüütschis“ — wie die Deutschen im Alpenland heißen — bescheidenen Schweizern die Jobs weg? Muss man den Teutonen-Zuzug drosseln?

Neu sind Schweizer Animositäten gegenüber dem „großen Kanton“ im Norden keineswegs. Geschürt wurden sie auch durch nassforsches Auftreten deutscher Politiker. Bis heute nicht verziehen sind die Worte, mit denen 2009 der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) den Schweizern im Steuerstreit ein scharfes Vorgehen Deutschlands androhte: „Die Kavallerie in Fort Yuma muss nicht immer ausreiten, manchmal reicht es, wenn die Indianer wissen, dass sie da ist.“

Bei den solcherart abqualifizierten Alpen-„Indianern“ hat die Deutschenfeindlichkeit seitdem zugenommen. Inzwischen sei ein „bedenkliches Ausmaß“ erreicht, warnt Barbara Schmid-Federer, Mitglied des Präsidiums der Christlichdemokratischen Volkspartei der Schweiz (CVP). Deutsche würden nach dem Rickli-Auftritt mitten in Zürich als „Sau-Schwaben“ beschimpft.

Klar ist, dass sich niemand an Leuten wie Fußball-Trainer Heiko Vogel stört, der den FC Basel gerade zum Meister machte. Oder an Formel-1-Star Sebastian Vettel, der in der Schweiz lebt. Und die Behauptung, dass Deutsche Schweizern angeblich Jobs wegnehmen, ist bei einer Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent eher irrational. Auch die Ansicht, reiche Deutsche würden Immobilienpreise in die Höhe treiben, hält genauer Betrachtung kaum stand.

Doch es gibt diffuse kultur- und mentalitätsbedingte Ängste. Feindbilder im Zusammenhang mit der Einwanderung in die Schweiz hätten sich geändert, schrieb „Der Sonntag“-Chefredakteur Patrik Müller. Seien es einst Italiener und später Jugoslawen gewesen, die angefeindet wurden, so wären nun halt die Deutschen an der Reihe.

Gegen sie zu pöbeln, sei selbst „in akademischen Kreisen salonfähig“. Grund: „Schließlich sind die Deutschen stark. Die meisten, die kommen, verdienen gutes Geld, haben Kaderjobs. Gehen in die Oper. Sind uns sprachlich überlegen.“