Zahl der Fehltage wegen psychischer Belastung steigt
Berlin (dpa) - Ständig erreichbar über das Smartphone, befristete Arbeitsverträge, schneller und effizienter arbeiten: Der Druck auf die Arbeitnehmer wächst. Immer mehr Beschäftigte können den Stress nicht mehr aushalten - die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen ist drastisch gestiegen.
Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Danach gab es 2001 deutschlandweit 33,6 Millionen Fehltage wegen psychischer Störungen, 2010 waren es schon 53,5 Millionen. Ihr Anteil an allen Fehltagen stieg damit von 6,6 auf 13,1 Prozent. Besonders betroffen sind Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsbereich, ein besonderes Risiko tragen Leiharbeiter. Das Arbeitsministerium will im nun nächsten Jahr einen Runden Tisch zum Arbeitsschutz einberufen, um Gegenmaßnahmen zu erörtern.
Eine zentrale Frage sei: „Wie können wir messen, wenn Arbeit krank macht“, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) der ARD-„Tagesschau“. Nötig seien klare Grenzwerte, damit entsprechende Stoppschilder aufgebaut werden könnten. Den Arbeitgebern müssten Instrumente an die Hand gegeben werden, damit sie etwas ändern könnten. Die meisten seien bereit, etwas zu tun - „sie wissen nur nicht wie“.
Zu den Ursachen für Psychostress am Arbeitsplatz zählen die Beschleunigung der Arbeitsprozesse, steigende Anforderungen, höhere Eigenverantwortung sowie berufliche Unsicherheit. Zudem listet das Ministerium höhere Mobilitätsanforderungen, immer instabilere soziale Beziehungen infolge häufiger Berufs- und Ortswechsel und wachsende Konkurrenz am Arbeitsplatz auf. Über die Angaben des Ministeriums hatte die „Frankfurter Rundschau“ (Montag) zuerst berichtet.
Besonders gefährdet sind laut Ministerium Frauen: So liegen die durchschnittlichen Fehltage je 100 Versicherte in der Diagnosegruppe psychische Probleme bei Frauen mit 242,1 (2010) deutlich höher als bei Männern (2010: 137,8 Tage). Auch die Zahl der weiblichen Beschäftigten, die aufgrund psychischer Erkrankungen 2010 in die Erwerbsminderungsrente gingen, ist mit 39 248 Fällen höher. Bei den Männern waren es im selben Jahr 31 698.
Besonders viele Fehltage verzeichnen laut Arbeitsministerium Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsbereich, Gesundheitsdienst und in der Papierherstellung und im Druck. Viele Leiharbeiter arbeiteten zudem unter Bedingungen, „die die Gesundheit negativ beeinflussen können“, heißt es. Sie seien etwa schlechter qualifiziert, mit ihrem Job unzufriedener und hätten ein höheres Risiko, ihre Arbeit zu verlieren.
Einen Bedarf für neue Gesetze gegen den Stress sieht die Bundesregierung nicht. Zunächst müsse „der Wissens- und Kenntnisstand“ verbreitert werden, heißt es. Das solle in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) mit Arbeitgebern und Gewerkschaften angegangen werden. Erst dann könne entschieden werden, ob konkrete Schutzmaßnahmen wie eine „Anti-Stress-Verordnung“ vorgeschrieben werden müssten, wie sie etwa die IG Metall fordert. Für eine solche Verordnung tritt die Linken-Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann ein. Sie fordert zudem eine Eindämmung von Leiharbeit und befristeten Verträgen.