Analyse: Ist das Betreuungsgeld rechtlich haltbar?

Renommierte Juristen haben Bedenken gegen die geplanten Zahlungen angemeldet.

Karlsruhe. Im Streit um das Betreuungsgeld rücken juristische Aspekte in den Fokus — die SPD erwägt eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Eine Reihe renommierter Rechtswissenschaftler halten die auch als „Herdprämie“ verspottete Leistung für bedenklich.

„Ein Betreuungsgeld, das nur gezahlt wird, wenn Eltern ihr Kind nicht in eine Kita geben, verstößt gegen das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot für den Staat bei der Familienförderung“, sagt Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Hannover. „Der Staat darf nicht eine Familienform gegenüber anderen bevorzugen“, sagt die Rechtsprofessorin.

Der Staat müsse nach dem Grundgesetz die Gleichstellung von Männern und Frauen fördern. „Daraus folgt die Verpflichtung, Nachteile für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf abzubauen“, sagt Brosius-Gersdorf. „Wenn das Betreuungsgeld nur für Eltern gezahlt wird, die ihr Kind nicht in die Kita geben, dann fördert das nicht die Vereinbarkeit, sondern die Unvereinbarkeit. Der Staat macht damit das Gegenteil von dem, wozu er verpflichtet ist.“

Nach Auffassung der Frankfurter Jura-Professorin Astrid Wallrabenstein könnte das Betreuungsgeld Alleinerziehende und deren Kinder benachteiligen. „Wenn beide Elternteile da sind, kann eher einer von beiden aussetzen. Alleinerziehende, die sich das nicht leisten können, haben dann auch keine Chance auf Betreuungsgeld.“ Das könnte nichteheliche Kinder benachteiligen — obwohl das Grundgesetz festlegt, dass der Gesetzgeber für nichteheliche Kinder die gleichen Bedingungen schaffen muss.

Außerdem könnte das Betreuungsgeld mittelbar diskriminierend wirken — wenn Frauen deshalb erst später wieder in das Erwerbsleben zurückkehren. „Das wiederum hätte negative Konsequenzen, da in dieser Gesellschaft viele Leistungen an die Erwerbstätigkeit gekoppelt sind — vor allem spätere Rentenansprüche“, sagt Wallrabenstein.

Der Bremer Sozialrechts-Experte Friedhelm Hase hat hingegen keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Betreuungsgeld — es handele sich eher um eine „politische Frage“. Die Idee allerdings, Eltern hätten für die Kindererziehung Anspruch auf eine Gegenleistung vom Staat, hält Hase für „Quatsch“.