Dissidenten zweifeln an voller Reisefreiheit für Kubaner
Havanna/Berlin (dpa) - Kuba setzt seinen Reformkurs fort: Vom nächsten Jahr an sollen die Kubaner weitgehend frei ins Ausland reisen können. Das sozialistische Regime kündigte an, vom 14. Januar 2013 werde keine Ausreiseerlaubnis mehr benötigt.
Um das Land zu verlassen, reiche dann ein Pass und ein Einreisevisum des Ziellandes, teilte das Außenministerium am Dienstag in Havanna mit. Auch eine Einladung aus dem Ausland sei nicht mehr erforderlich. Die Regierung deutete aber auch Einschränkungen an. In Berlin sprachen Politiker von einer guten Nachricht. Dissidenten auf Kuba äußerten sich zunächst zurückhaltend.
Die Reform der Reisepolitik war von den rund 11 Millionen Kubanern besonders sehnlich erwartet worden, seit Präsident Raúl Castro vor sechs Jahren die Führung des Landes von seinem Bruder Fidel Castro übernahm. Bisher benötigte jeder Bürger der sozialistischen Karibikinsel eine Erlaubnis der Regierung, um sein Land zu verlassen. Diese Genehmigungen wurden willkürlich vergeben und Regimekritikern oft verweigert. Kubaner brauchen aber für die meisten Länder der Welt auch ein Einreisevisum, das sie oft nur mit Mühe bekommen.
In der Mitteilung werden auch Einschränkungen für bestimmte hoch qualifizierte Berufsgruppen angedeutet. „Es werden Maßnahmen beibehalten, um das geistige Kapital, das von der Revolution geschaffen wurde, gegen den Raub der Talente durch die Mächtigen zu schützen“, heißt es ohne nähere Angaben. Damit könnten etwa Ärzte oder Ingenieure gemeint sein. Bei Privatreisen sollen Kubaner bis zu 24 Monate statt bisher 11 Monate im Ausland bleiben dürfen.
Der Oppositionelle und Sprecher der illegalen, aber tolerierten Kubanischen Kommission für Menschenrechte und Nationale Aussöhnung, Elizardo Sánchez, blieb skeptisch. „Man muss warten und das Kleingedruckte lesen. Sie sprechen schon von Restriktionen, das ist inakzeptabel“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Sprecherin der Oppositionsgruppe „Damas de Blanco“, Berta Soler, zeigte sich überzeugt, dass die Regierung weiter willkürlich entscheiden könne, wer reisen dürfe und wer nicht. „Ich glaube, man hat der Sache nur einen anderen Namen gegeben.“
Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Tom Koenigs, sieht in der Ankündigung nicht den Anfang vom Ende des sozialistischen Regimes. „Ob das einen Lawineneffekt hat wie das in der DDR war und damit das ganze Regime die Repression beendet, das glaube ich nicht“, sagte der Grünen-Politiker der dpa. Der Schritt sei erstmal positiv, aber man sollte sich nicht täuschen lassen.
Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sprach von einer „guten Nachricht“. Dem „Tagesspiegel“ (Berlin) sagte sie: „Es gibt keinen Sozialismus ohne Freiheit und Demokratie. Kuba wird dadurch gewinnen. Ich hoffe, dass das auch für andere Länder ein Impuls wird.“ FDP-Kuba-Experte Hans-Werner Ehrenberg sagte: „Die Mehrheit der Kubaner kann nun nach mehr als fünfzig Jahren sozialistischem Staatsgefängnis ihre Reiseziele selbstbestimmt wählen.“