EU-Kommissar Dalli stolpert über Betrugsaffäre
Brüssel (dpa) - Der Vorfall ist für Brüssel ungewöhnlich: EU-Kommissar John Dalli muss nach Betrugsvorwürfen sein Amt aufgeben. Besonders pikant: Es dreht sich um die Tabakgesetzgebung, für die der Gesundheitskommissar neue Regeln ausarbeitet.
Er selbst bestreitet alle Vorwürfe.
Eine Betrugsaffäre erschüttert die EU-Kommission: Nach Vorwürfen ist EU-Verbraucherkommissar John Dalli mit sofortiger Wirkung zurückgetreten, teilte die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel mit. Die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf hatte gegen den 64-jährigen Malteser ermittelt. Die Vorwürfe drehten sich um eine mögliche Einflussnahme der Industrie auf die geplante EU-Tabakgesetzgebung, für die Dalli als Gesundheits- und Verbraucherschutzkommissar zuständig ist. Dalli selbst weise alle Vorwürfe zurück.
Es ist ein äußerst seltener Fall, dass ein Mitglied der EU-Kommission sein Amt wegen Betrugsverdacht aufgeben muss. Für Schlagzeilen sorgte 1999 die Kommission unter dem Präsidenten Jacques Santer, die wegen Korruptionsvorwürfen komplett zurücktreten musste. Das derzeitige Kollegium von Präsident José Manuel Barroso hat 27 Mitglieder und hatte Anfang 2010 seine Arbeit aufgenommen. Das Mandat geht bis 2014.
Die Olaf-Ermittlungen wurden von einer Beschwerde des schwedischen Tabakherstellers Swedish Match ausgelöst. Ein maltesischer Unternehmer hatte der Firma angeboten, für Geld Kontakte zu Dalli herzustellen, um damit die EU-Tabakgesetzgebung zu beeinflussen, schrieb die EU-Kommission. Dabei sei es insbesondere um eine Art Lutschtabak (den schwedischen Snus) gegangen. Das Angebot wurde nicht in die Tat umgesetzt. „Es kam nicht zu einer Transaktion zwischen der Firma und dem Unternehmen und es wurde kein Geld gezahlt“, betonte die EU-Kommission.
Olaf habe bei der Untersuchung keine Belege für ein Fehlverhalten des EU-Kommissars aufgedeckt. Die EU-Kommission schrieb: „Der Olaf-Bericht hat keinen überzeugenden Beweis für die direkte Beteiligung von Herrn Dalli gefunden, geht aber davon aus, dass er über diese Ereignisse informiert war.“
Maltas Regierung wurde aufgefordert, einen neuen Kommissar zu benennen. Präsident Barroso habe entschieden, dass der für die Verwaltung zuständige EU-Kommissar Maros Sefkovic vorübergehend die Aufgaben Dallis übernimmt, so die EU-Behörde. Bei der Sitzung des Gremiums am morgigen Mittwoch werde die EU-Kommission über den Fall beraten. Wie aus der Behörde verlautete, sollen vorher keine weiteren Details bekanntgegeben werden.
Die Ermittlungen seien inzwischen an die Behörden aus Dallis Heimatland übergeben worden - die dortige Justiz müsse nun entscheiden, wie weiter verfahren werde.