IS-Terror Ein eigener Sunnitenstaat könnte dem Morden die Basis nehmen

Der Islamische Staat schöpft seine Kraft aus religiösem Hass. Ohne eine neue Ordnung für Syrien und Irak wird das so bleiben.

Düsseldorf. Bis vor einem Jahr sah es noch aus, als seien die Tage von Baschar al-Assad an der Spitze Syriens gezählt. Doch mittlerweile erhält sein schiitisches Regime so viel Hilfe aus dem Iran und Russland, dass seine Anhänger im Kampf gegen die Rebellen Boden gut machen konnten. Als Verbündeter im Kampf gegen die sunnitisch geprägte Terrormiliz Islamischer Staat erscheint Assad plötzlich wieder salonfähig.

Dabei ist er es, der seit 2011 mit Gewalt gegen die Proteste des syrischen Volkes vorgeht. Giftgas und Fassbomben kamen dabei zum Einsatz. Diese Politik hat maßgeblich zur Radikalisierung der Sunniten in Syrien und damit zur Bildung des Islamischen Staates beigetragen.

Die Sunniten im Nahen Osten fühlen sich von allen verraten. Von den USA, die ihnen 2003 im Irak die Macht raubten. Von Europa, das in Syrien seit Jahren tatenlos zuschaut, wie Assads Armee sie aus der Luft angreift. Die Sunniten sehen sich im Überlebenskampf gegen die Schiiten. Für viele von ihnen gibt es zum Islamischen Staat keine Alternative. Und so schöpft der IS aus dieser gewaltigen Kraftquelle, dem Hass zwischen Sunniten und Schiiten.

Die erkennbare Annäherung westlicher Staaten an Assad und Russland bildet die perfekte Basis zur Stärkung des IS. Der Westen wird als Teil der iranisch-schiitischen Allianz gegen die Sunniten wahrgenommen und spielt damit den radikalen Gruppen, die bei den Sunniten immer noch in der Minderheit sind, in die Hände.

Statt unverändert auf Syrien und den Irak in den heutigen Grenzen zu setzen, sollten die Vereinten Nationen deren Ende befürworten. Syrien und der Irak sind Erfindungen des europäischen Kolonialismus. Großbritannien und Frankreich schufen nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches Staatsgebilde, die es zuvor nicht gab. Darin lebten Bevölkerungsgruppen, die einander nicht vertrauten. Frieden wird es in der Region sehr wahrscheinlich nicht geben, wenn diese historischen Fehler weiter Bestand haben.

Um den Hass von Generationen zu besiegen, könnte ein sunnitisch dominierter Staat die Lösung sein. Visionäre sprechen von „Sunnistan“. Dieses Land würde den Osten Syriens und den Westen des Iraks umfassen.

In seinem Kampf gegen die Terroristen des IS sollte der Westen sich voll darauf konzentrieren, die moderate Mehrheit der Sunniten von der radikalen Minderheit zu trennen. Basis der Verhandlungen könnte die Aussicht auf „Sunnistan“ sein. Dieser Staat wäre mit seinen Ölquellen lebensfähig, ohne dem Rest von Syrien und dem Irak den ökonomischen Boden zu entziehen.

Allerdings ist bislang nicht zu erkennen, dass sich die Weltgemeinschaft auf einen solchen Weg verständigen könnte. Die Allianz gegen den Islamischen Staat ist viel zu zerstritten, um gemeinsame politische Ziele benennen zu können. Der Iran und Assad träumen davon, ganz Syrien zu kontrollieren. Die Türkei verfolgt vor allem das Ziel, einen eigenständigen Kurdenstaat zu verhindern. Und die USA als letzte verbliebene Weltmacht engagieren sich nur halbherzig. Den Vereinigten Staaten scheint es zu genügen, dafür zu sorgen, dass der Islamische Staat nicht allzu stark wird und dass keine der sich widerstrebenden Mächte ein klares Übergewicht bekommt.

Dabei hätten die USA die politische Potenz, einen eigenständigen Staat für die Sunniten auf den Weg zu bringen und dem Terrorismus damit den Nährboden zu entziehen. Denn nur Sunniten werden auf Dauer in der Lage sein, die sunnitischen Extremisten zu besiegen. re