IS-Terror Terroristen wollen uns in den Krieg ziehen
Der Islamische Staat möchte uns in Angst und Schrecken versetzen. Das dürfen wir nicht zulassen. Mit Aufklärung lässt sich den Dschihadisten der Boden entziehen.
Düsseldorf. Es ist ein sonniger, kalter Wintervormittag, als die Brüder Chérif und Said Kouachi am 7. Januar die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Herzen von Paris stürmen. Mit ihren Kalaschnikows töten sie zwölf Menschen. Gut 48 Stunden später wird Amedy Coulibaly, ein Freund von Chérif Kouachi, in einem jüdischen Supermarkt der französischen Hauptstadt vier weitere Menschen erschießen. Weltweit gibt es Aktionen der Solidarität, Millionen Menschen sind „Charlie“.
Am 13. November schlagen die Terroristen in Paris erneut zu. Dieses Mal trifft es Orte, die die Freude am Leben symbolisieren — eine Konzerthalle, Cafés, Restaurants. 130 Menschen sterben. Es sind Bewohner und Besucher der französischen Metropole, wahllos ausgesucht.
Die Morde im Januar schienen noch einen widerwärtigen Sinn zu haben. Seit den Mohammed-Karikaturen stand „Charlie Hebdo“ im Fokus des Terrors, einen Brandanschlag hatte es bereits im Jahr 2011 gegeben. Die Macher des Blattes zu töten, musste den Terroristen wie ein Sieg gegen die verhasste freie Meinungsäußerung vorkommen.
Was sich im November abspielte, lässt sich mit dem uns vertrauten Wertekanon dagegen gar nicht mehr erfassen. In einem willkürlichen Blutbad scheint es keine Botschaft zu geben. Und doch folgen die Terroristen des Islamischen Staates einer bösartigen Strategie: Sie wollen ganze Gesellschaften in Angst und Schrecken versetzen. Sie töten unterschiedslos, überall. Niemand soll sich sicher fühlen, nirgendwo. So ist auch das Bombenattentat auf den russischen Ferienflieger im Oktober über der ägyptischen Halbinsel Sinai zu verstehen. Oder der blutige Anschlag im Juni auf ein Touristenhotel in Tunesien.
Durch die nachhaltige Verunsicherung anderer Gesellschaften will der Islamische Staat Überreaktionen in der Sicherheitspolitik provozieren. Gibt es erweiterte Befugnisse für Polizei und Geheimdienste, wachsen die politischen Gräben. Es geht darum, Keile in die Gemeinschaft der Anderen zu treiben. Fallen Bomben auf die IS-Hochburgen Rakka in Syrien oder Mossul im Irak, sind unzählige zivile Opfer unvermeidlich. Die Bilder dieser Toten passen dem IS bestens ins Konzept, weil sie zur Rekrutierung neuer Gotteskrieger dienen. Und weil sie in den westlichen Gesellschaften zur Zerreißprobe darüber führen, inwieweit militärische Gewalt ein Mittel der Politik sein kann und darf.
Das wachsende Misstrauen gegenüber Flüchtlingen und das Erstarken der europäischen Rechten spielen den Dschihadisten ebenfalls in die Hände. Dahinter steckt simples Kalkül: Je größer Misstrauen und Ablehnung gegenüber den Muslimen in Europa werden, umso leichter fällt es dem IS, unter ihnen neue Anhänger zu gewinnen.
Gegen Kriminelle lässt sich kein Krieg führen. Deshalb wären die Politiker gut beraten, den Kampf gegen den Terrorismus nicht so zu nennen. Im Westen gibt es demokratische Mehrheiten für den Einsatz von Militär im Kampf gegen den Terror, aber er ist nur ein Mittel dieser Auseinandersetzung. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagt mit Recht: „Raketen mögen einen Terroristen töten. Aber nur gute Politik beseitigt Terrorismus.“
Dazu gehört aber auch, dass die Behörden in Europa entschiedener gegen die gewaltbereite islamistische Szene vorgehen. Der Brüsseler Stadtteil Molenbeek ist ein Beispiel für jahreslanges Versagen. Schon nach den Anschlägen vom 11. September 2001 führten Spuren hierher. Wenig wurde getan, um das Abdriften junger Muslime in die terroristische Szene zu verhindern. Heute gilt Molenbeek als Epizentrum des europäischen Dschihadismus.
Für die feigen Morde im Namen des Islamischen Staates gibt es keine Rechtfertigung. Um die Radikalisierung unserer Gesellschaft zu verhindern, braucht es Aufklärung, eine Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Islamismus — an Schulen, in den Medien, in den sozialen Netzwerken. Wir sind dem Terror nicht hilflos ausgeliefert.