Ein Gehilfe des Massenmords
Der 91-jährige John Demjanjuk wird schuldig gesprochen, kommt aber frei.
München. John Demjanjuk konnte das Gericht als freier Mann verlassen. Und das, obwohl das Landgericht München zuvor den 91-Jährigen der Beihilfe zum Mord an 28 000 Juden im Jahr 1943 im Vernichtungslager Sobibor für schuldig gesprochen und zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilte hatte.
Wegen der zweijährigen Untersuchungshaft und weil keine Fluchtgefahr bestehe, hob das Landgericht München II den Haftbefehl auf.
Das Gericht war überzeugt, dass der gebürtige Ukrainer zu den „Trawniki“ in Sobibor gehörte — das waren „fremdvölkische Hilfswillige“, wie sie bei den Nazis hießen. Allen „Trawniki“ sei klar gewesen, was dort geschah, sagte der Vorsitzende Richter Ralph Alt.
Viele dieser Nazihelfer hätten die deportierten Juden bewaffnet zu den Gaskammern begleitet. „Der Angeklagte war Teil dieser Vernichtungsmaschinerie.“
Der 91-jährige Demjanjuk, der das Verfahren im Gerichtssaal auf einem Rollbett mit Sonnenbrille über den Augen verfolgte, hatte in dem fast eineinhalbjährigen Prozess geschwiegen.
Zwar konnte ihm keine konkrete Tat zugeschrieben werden. Das Gericht argumentierte jedoch: Da das Lager Sobibor allein zur planmäßigen Ermordung von Menschen diente, habe sich jeder mitschuldig gemacht, der dort Dienst tat.
Das israelische Wiesenthal-Zentrum und die israelische Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem begrüßten zunächst das Urteil — allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Aufhebung des Haftbefehls noch nicht bekannt. Efraim Zuroff, der Leiter des Wiesenthal-Zentrums, reagierte später mit Empörung auf die Aufhebung des Haftbefehls: „Er gehört ins Gefängnis, da gehört er hin.“
Sollte das Urteil in der nächsten Instanz bestätigt und damit rechtskräftig werden, müsste über die Haftfrage neu entschieden werden. Möglicherweise käme Demjanjuk dann doch wieder hinter Gitter, sofern er noch haftfähig wäre.