Erziehen wir Kinder heute zu Tyrannen?
Entnervte Eltern, gestresste Lehrer: Eine Studie erklärt, warum Erziehung im 21. Jahrhundert so anstrengend ist.
Berlin. Mitten hinein in die neue deutsche Erziehungsdebatte greift jetzt eine Studie, die erstmals den drastischen Wertewandel innerhalb von Familien veranschaulicht.
Das Allensbacher "Generationenbarometer 2009" zeigt, dass Erziehung heute eine Gratwanderung ist. Nur fünf Prozent der Väter und Mütter finden, "dass man bei Kindererziehung eigentlich nichts falsch machen kann". Die Mehrheit sagt dagegen: Erziehung ist anstrengend, Patentrezepte gibt es keine. Nur eines ist sicher: Fast alle Eltern wollen heute, dass ihre Kinder selbstbewusst und willensstark werden.
Genau hier liegt aber der Studie zufolge das Dilemma. Die große Mehrheit der Eltern möchte ihre Kinder so erziehen, dass sie Selbstvertrauen haben, ihre Persönlichkeit entfalten und sich durchsetzen können. Pünktlichkeit, Sparsamkeit und Ordnungssinn dagegen sind längst nicht mehr so wichtig wie in der Generation zuvor. Und: Nur noch jeder Dritte findet es wichtig, dass sich Kinder in eine Ordnung einfügen können, nur jeder Vierte hält Bescheidenheit für wichtig.
Die Folge: Knapp zwei Drittel der Deutschen finden, dass Kinder und Jugendliche heute zu wenig Werte vermittelt bekommen, dass sie nicht mehr erkennen können, was richtig und falsch ist, dass sie keine Regeln akzeptieren. Womit die Studienergebnisse spiegeln, was aktuell diskutiert wird. Haben die eher antiautoritär geprägten Erziehungsstile der vergangenen zwei, drei Jahrzehnte am Ende Kinder und Jugendliche erzeugt, die sich gesellschaftlich nicht mehr einfügen und als kleine Tyrannen in Erscheinung treten? Ist die berechtigte Kritik an autoritären, gewaltsamen Erziehungsmethoden der 68er übers Ziel hinaus geschossen?
Mittlerweile jedenfalls denkt nur noch jeder zwanzigste, dass Kinder zu streng erzogen werden, zwei von drei Befragten beobachten dagegen insgesamt eher schlecht erzogene Kinder.