Licht und Schatten der Obama-Reise
Der US-Präsident hat in den vergangenen Tagen viele Hoffnungen geweckt. Welche davon kann er erfüllen?
Istanbul. Barack Obama blieb auch nach der Gewalttour durch Europa rastlos: Die Air Force One nahm am Dienstag Kurs auf Bagdad. Der US-Präsident wollte nach einer symbolträchtigen, achttägigen Europareise im Irak noch ein weiteres Zeichen setzen.
Mit seiner ersten großen Auslandsreise dürfte Obama bereits jetzt zufrieden sein: Das Ergebnis kann sich aus US-Sicht sehen lassen. Es gab Erfolge, aber auch Enttäuschungen - und eine Hypothek für die Zukunft. Denn Obama hat auch viel versprochen.
Image: Alle sind fasziniert von Barack und alle lieben Michelle - auch die Mächtigen der Welt suchten sichtlich die Nähe des Präsidentenpaars, das fast überall mit Jubel begrüßt wurde. Obama verkündete glaubwürdig die Botschaft eines neuen, bescheidenen, versöhnlichen Amerika.
Harmonie: Zumindest nach außen drang nichts über ernsthafte Konflikte. Zwar gebe es "auch unter Verbündeten Differenzen" (Obama) - aber alle suchten immer die Übereinstimmungen zu betonen und den "Neuanfang".
US-Souveränität: Die Europäer hätten gerne eine supra-nationale Kontroll- und Regulierungsbehörde für die Finanzmärkte gehabt. Das wusste Obama bei dem G20-Gipfel zu verhindern.
Regulierung: Obama überzeugte die lange widerspenstigen Chinesen, die neuen Regeln für Steueroasen zu akzeptieren.
Nato-Chef: Anders Fogh Rasmussen wurde als neuer Nato-Generalsekretär bestätigt. Obama brach den Widerstand Ankaras mit einem neuen Nato-Spitzenposten für die Türken und einigen Versprechungen.
Entspannung: Mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew gelang es, eine neue, entspannte Gesprächsgrundlage zu begründen. Die drohende Eiszeit zwischen den Ländern scheint verhindert worden zu sein.
Konjunkturpakete: Obama gelang es nicht, die anderen Staaten auf dem G20-Gipfel von neuen, nationalen Konjunkturpaketen zu überzeugen.
Afghanistan: Auch wenn sich Obama zufrieden äußerte, die Opferbereitschaft der Verbündeten für Afghanistan ist gering. Im Krieg gegen El Kaida und Taliban will sich - außer vielleicht den Briten - kaum jemand stärker militärisch engagieren.
Nato-Reform: Nur die USA sehen in der Nato künftig die politische und militärische Feuerwehr, den Weltpolizisten.
Führungsanspruch: Kaum einer der Mächtigen in der Welt ging auf den US-Führungsanspruch ein, den Obama stets formuliert. Sichtlich streben China und Russland eine multipolare Welt an. Deshalb wollen sie den Dollar als Reservewährung abschaffen.
Nordkorea: Die "Bestrafung" Nordkoreas hatte Obama nach dem jüngsten Raketenstart gefordert. Die Resonanz war ernüchternd. Moskau und Peking scheinen nicht mal zu scharfen Resolutionen im UN-Sicherheitsrat bereit zu sein.
Iran: Das Land war offenbar nur für Obama ein wichtiges Thema. Was, wenn die neuen diplomatischen Initiativen scheitern? Was, wenn Teheran seine Nuklearpläne fortsetzt? Wenn das "Zuckerbrot" nicht wirkt und Obama vielleicht nach der "Peitsche" greifen will, scheint Verständnis in Europa wenig wahrscheinlich.
Regulierungen: Obama sprach von einem Wendepunkt, neue Regulierungen sollen künftige Katastrophen in der Finanzbranche verhindern.
Bescheidenheit: Obama will Amerika versöhnlich und kompromissbereit zeigen. Was, wenn die "soft power" bei Konflikten versagt?
Atomwaffen: Kühn entwarf Obama die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Skepsis allerorten.
Abrüstung: Zumindest mit Russland sollen bald bedeutende Abrüstungsabkommen vereinbart werden.
Islamische Welt: Ein "neuer Dialog", neue, starke Bindungen auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet zwischen den USA und der islamischen Welt sollen gelingen. Mit der Türkei strebt Washington eine "neue Modell-Partnerschaft" an.