EU fürchtet um den Euro

Brüssel (dpa) - Die EU-Staats- und Regierungschefs fürchten bei einem Wahlsieg radikaler Parteien in Griechenland um den Bestand des Euro. Gefährdet ist nicht nur die Stabilität Griechenlands, sondern auch die Zukunft der gesamten Wahrungsunion.

Das ergab der EU-Gipfel, der am frühen Donnerstagmorgen in Brüssel endete. In der offiziellen Abschlusserklärung war davon allerdings keine Rede.

In Griechenland wird am 17. Juni gewählt. Extreme Parteien drohen damit, das mit internationalen Geldgebern verhandelte Spar- und Reformprogramm aufzukündigen, obwohl das Land bereits knapp 150 Milliarden Euro Hilfe erhalten hat, wie der Gipfel betonte.

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker bestätigte, dass Experten der 17 Euro-Staaten über die Folgen eines möglichen Ausscheidens Griechenlands nachdenken. „Selbstverständlich ist es so, dass wir uns auf alle Szenarien einstellen müssen, weil wir sonst unserer Aufgabe nicht gerecht würden.“ Sollte Griechenland den Euro tatsächlich verlassen müssen, sehen Gipfelteilnehmer die Währungsunion insgesamt in Gefahr. Die Grundannahme der Eurogruppe sei aber, dass Griechenland in der Eurozone bleibe.

Offiziell appellierten die „Chefs“ an eine neue Regierung in Athen, geschlossene Verträge einzuhalten. „Wir erwarten, dass sich die neue griechische Regierung nach den Wahlen für diesen Weg entscheiden wird.“ Sie verwiesen ausdrücklich auf ihr „hohes Maß an Solidarität“. Für weitere Hilfsmilliarden muss Athen drastisch sparen und Reformen umsetzen.

Bei dem Abendessen kam auch die Bankenkrise in Spanien zur Sprache. Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte nach dem Treffen deutlich: „Wenn die öffentlichen Schulden nicht mehr tragbar sind, haben wir ein Problem.“ Er fordert offensichtlich die Europäische Zentralbank zum Handeln auf. Sie hatte bisher schon Anleihen von Euro-Wackelkandidaten aufgekauft und den Bankensektor mit einer Geldspritze von rund einer Billion Euro geflutet.

Die Staatenlenker berieten vor allem über Wege für mehr Wachstum. Politische Beschlüsse blieben aus, diese sollen beim regulären Gipfel am 28./29. Juni gefasst werden.

Dabei zeichnet sich ab, dass der bereits vereinbarte Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin um ein Wachstumspaket ergänzt wird. Die Europäische Investitionsbank (EIB) - die Hausbank der EU zur Förderung von Investitionen - soll mehr Kapital bekommen und mehr Projekte wie Bahntrassen, Straßen und Stromleitungen fördern. Das EIB-Direktorium sei gebeten worden, eine Kapitalerhöhung zu erwägen, sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso präsentierte einen Vorschlag, 7,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget auszugeben, um Jobs für junge Leute zu schaffen. Das soll vor allem Ländern wie Griechenland und Spanien zugutekommen.

Beim Streitthema Eurobonds, gemeinsamen Anleihen der Euro-Länder zur Kapitalaufnahme, verlief die Debatte hitzig. Ein Ergebnis ist momentan nicht in Sicht. Gipfelchef Van Rompuy sagte, Eurobonds seien ein „langfristiges Vorhaben“, das nicht schnell umzusetzen sei.

Der neue französische Staatspräsident François Hollande bekräftigte bei seinem ersten Auftritt auf dem europäischen Parkett seine Forderungen: „Eurobonds sind Teil der Diskussion.“ Nach dem Treffen räumte er jedoch ein: „Ich habe begriffen, dass es Länder gibt, die dem Vorschlag absolut feindlich gegenüberstehen.“ Kanzlerin Angela Merkel wollte von solch gemeinsamen Anleihen der Euro-Staaten nichts hören: „Ich glaube, dass sie kein Beitrag sind, um das Wachstum anzukurbeln.“ Mehrere andere EU-Länder zeigten sich ebenfalls skeptisch.

Nach ihrer Rückkehr aus Brüssel beriet Merkel am Nachmittag in Berlin mit den Partei- und Fraktionschefs von Koalition und Opposition über die Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts. Der Vertrag von 25 der 27 EU-Staaten für mehr Haushaltsdisziplin sieht einen raschen Defizitabbau sowie nationale Schuldenbremsen vor. Die Koalition ist auf Stimmen der Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. SPD und Grüne fordern weitere Wachstumsimpulse.

Offen blieb beim EU-Gipfel auch, wer Jean-Claude Juncker als Eurogruppenchef folgen wird. Die Entscheidung soll offensichtlich nach den französischen Parlamentswahlen von Mitte Juni an fallen. Als Favorit für den Posten gilt bisher Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ob Hollande Schäuble mitträgt, ist aber bisher nicht klar.