Terror Europol warnt vor neuen IS-Anschlägen in Europa
„Jederzeit und gegen fast jedes gewählte Ziel“ kann die Terrormiliz IS nach Einschätzung von Europol zuschlagen. Von einem neuen Drohvideo wollen sich Frankreich und Großbritannien aber nicht einschüchtern lassen.
Amsterdam/Paris (dpa). Europol hat vor neuen Anschlägen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Europa gewarnt. Vor allem in Frankreich sei die Gefahr groß, teilte die europäische Polizeibehörde am Montag in Amsterdam mit. Die Pariser Terroranschläge vom November markieren Europol zufolge eine deutliche Wende der IS-Strategie. Anschläge seien nun international ausgerichtet und würden von Spezialkräften ausgeführt.
Europol zitiert in einem Bericht Informationen von Geheimdiensten, wonach der IS eine spezielle Kommandostruktur für Anschläge im Ausland entwickelt habe. Der IS könne „jederzeit und gegen fast jedes gewählte Ziel“ losschlagen. Anschläge etwa auf Nuklearanlagen oder Bahnhöfe seien zurzeit weniger wahrscheinlich. Die Terrormiliz habe eher „softe Ziele“ im Visier, wie in Paris.
Die französischen Behörden konnten nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr elf islamistische Anschläge verhindern. Von einem neuen IS-Drohvideo wollen sich Frankreich und Großbritannien nicht einschüchtern lassen: „Nichts wird uns verängstigen“, sagte der französische Präsident François Hollande.
Das im Internet verbreitete Video soll die Attentäter von Paris zeigen, bevor sie am 13. November ihre Mordserie mit 130 Toten verübten. Drei Killerkommandos hatten damals in einem Musikclub, in Bars und Restaurants sowie am Stade de France zugeschlagen.
In die Kamera sprechend verbreiten die Männer - teils auf Französisch - Propaganda und töten Geiseln. Außerdem wird Großbritannien als Terrorziel genannt. Das Land bombardiert wie Frankreich als Teil einer US-geführten Koalition den IS im Irak und in Syrien. Falls sich die Authentizität bestätigt, gibt das Video Aufschluss über das Ausmaß der Anschlagsvorbereitungen und stützt die Einschätzung der Franzosen, dass die Planung im Herrschaftsgebiet des IS erfolgte. Neun Angreifer starben bei dem Anschlag.
Die Sprecherin des britischen Premierministers David Cameron sagte, der IS sei „eindeutig im Niedergang und auf dem Rückzug“. „Diese Bilder disqualifizieren nur die Täter dieser Verbrechen“, sagte Frankreichs Staatschef Hollande bei einem Besuch in Indien.
Hollande warb dabei für die geplante Verlängerung des nach den Anschlägen verhängten Ausnahmezustands. Der Europarat äußerte sich darüber allerdings besorgt: Generalsekretär Thorbjørn Jagland warnte Hollande in einem Brief vor „Risiken, die aus den Befugnissen resultieren können, die der Exekutive (...) übertragen werden“. Er bezog sich darauf, dass Durchsuchungen und Hausarreste ohne richterliche Anordnung möglich sind. Der Ausnahmezustand gilt bis Ende Februar, soll aber um drei Monate verlängert werden.
Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, im Jahr 2015 seien elf Anschläge „von der Art wie die vom 13. November“ verhindert worden. In einem Fall habe ein Konzert im Visier gestanden, in anderen Fällen hätten „massive tödliche Anschläge gegen Franzosen auf Straßen und in Städten“ gedroht, erläuterte er am Sonntagabend im TV-Sender France 5. Cazeneuve sprach von den „gleichen Akteuren“. Nähere Angaben machte er nicht.
Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den IS nahm das neue Anti-Terrorismus-Zentrum von Europol am Montag offiziell seine Arbeit auf. Es soll sich vorwiegend auf die Identifizierung von rund 5000 ausländischen Kämpfern des IS konzentrieren und Propaganda aus dem Internet bekämpfen. Bei der Behörde in Den Haag sollen Ermittlungen nationaler Polizeidienste koordiniert werden.