FDP: Kritik an Westerwelles Solo-Show

Ausgerechnet der aussortierte Wolfgang Gerhardt greift den Chef-Liberalen an. Guido Westerwelle gibt sich gelassen.

<strong>Berlin. In Guido Westerwelles Umfeld mühte man sich nach Kräften, die Lage als so kontrolliert wie möglich erscheinen zu lassen. Der FDP-Chef habe jede Menge Post beantwortet, sich auf einen möglichen Auftritt in der TV-Show Anne Will vorbereitet, zwei lange geplante Interviews geführt und an seiner Rede vor dem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart gefeilt. Kurzum: Es sei ein "Standard-Büro-Tag" für Westerwelle gewesen.

Frontalangriff eines fast Vergessenen auf den Nachfolger

Und doch war an diesem Donnerstag etwas anders als sonst. Ausnahmsweise bestimmte nicht der Parteichef die FDP-Schlagzeilen, sondern Wolfgang Gerhardt. Westerwelles Vorgänger meldete sich zurück - und das ausgerechnet mit einer Aussage, die nur als derbe Kritik am amtierenden Parteichef verstanden werden konnte. Unter der Überschrift "FDP muss Kurs korrigieren" sagte Gerhardt, den Westerwelle ins politische Abseits gedrängt hatte: "Man kann nicht als One-Man-Show kurz vor der nächsten Bundestagswahl auf einmal Kaninchen aus dem Hut zaubern." Was Gerhardt später als "Denkanstoß" bezeichnete, musste Westerwelle als Frontalangriff wahrnehmen. Vor Jahren formulierte der FDP-Chef seinen Führungsanspruch mit den Worten: "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Sache regelt. Und das bin ich." Auch dieser Tage gibt er das Kommando "Kurs halten" aus. "Ich gehe meinen Weg unbeirrt weiter", sagte Westerwelle. Gerhardt, der überraschend ankündigte, er wolle 2009 noch einmal für den Bundestag kandidieren, hatte vor zwei Jahren auf eine Kandidatur für das Amt des Fraktionschefs verzichtet und den Vorsitz der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung übernommen. Damit war der Weg für Westerwelle frei. Altvorderen der Partei wie dem früheren Innenminister Gerhart Baum bereitet die Fokussierung auf eine Person offenbar Sorgen. In der FDP müsse wieder eine "Debatten-Kultur" entstehen, sagte Baum. Es stelle sich die Frage: "Wo bleiben denn die Nachwuchsleute, und warum überlassen sie einem Älteren, der keine Führungsämter mehr hat, das Feld?" Die junge FDP-Bundestagsabgeordnete Marina Schuster hat den Mut, kritisch auf die Personalstrategie der Parteiführung zu blicken. "Unsere Politik sollte mit mehreren Köpfen verbunden werden", sagte die 32-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. "Partei und Fraktion sollten sich thematisch und personell breiter aufstellen", forderte Schuster: "Gerhardts Anliegen ist nachvollziehbar." Es sei wichtig, dass die FDP nicht nur in der Steuer- und Wirtschaftspolitik wahrgenommen werde, sondern auch bei den Themen Umwelt und Familie. Der liberale Hoffnungsträger Daniel Bahr ärgert sich allerdings darüber, dass Gerhardt seine Kritik so kurz vor den Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg formulierte. "Ich verstehe den Zeitpunkt nicht", sagte der 31-jährige Abgeordnete. "Damit erweist Gerhardt den Wahlkämpfern einen Bärendienst." Bahr stärkte Westerwelle den Rücken: "Spitzenmannschaften brauchen nicht nur exzellente Feldspieler, sondern auch einen brillanten Kapitän." In Umfragen liegt die Partei, die auf eine Koalition mit der Union nach der nächsten Bundestagswahl setzt, bei acht Prozent. Westerwelle verweist auf die jüngsten Wahlergebnisse der Liberalen: "Die Arbeit der FDP kann so schlecht nicht sein, wenn wir bei den Wahlen regelmäßig hinzugewinnen." Gerhardt reicht das nicht: "Man kann sich auch zu Tode siegen."

Dreikönigstreffen

Geschichte: Das Dreikönigstreffen der Liberalen hat sich aus seinen regionalen Anfängen in den 1860er Jahren im deutschen Südwesten zu einer politischen Großveranstaltung mit bundespolitischer Bedeutung entwickelt.

Gegenwart: Das alljährliche Dreikönigstreffen der Liberalen findet am 6.Januar im Staatstheater Stuttgart statt. Es ist der Jahresauftakt der FDP. Seit 1919 findet am Tag vor dem Dreikönigstreffen der Landesparteitag der baden-württembergischen Liberalen statt.