Flüchtlinge: Merkel massiv unter Druck
Europäische Lösung oder nationaler Alleingang? Horst Seehofer verbündet sich mit Österreichs Kanzler Kurz gegen die Kanzlerin.
Berlin. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) suchen in der EU eine „Achse der Willigen“, die ihre Flüchtlingspolitik unterstützt. Damit setzen sie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter massiven Druck im Streit um Seehofers Masterplan für die deutsche Asylpolitik. Der CSU-Chef will Flüchtlinge, die schon in anderen EU-Ländern per Fingerabdruck registriert sind, direkt an der Grenze zurückweisen können, und setzt damit auf eine eher nationale Lösung. Merkel beharrt auf einer europäischen Lösung.
Die Kanzlerin und der Innenminister wollten sich gestern Abend treffen, um über den Konflikt zu beraten. Nach „Bild“-Informationen sollten an dem Gespräch auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der hessische Regierungschef Volker Bouffier (CDU) teilnehmen. Anders als Seehofer hatte Merkel zuvor ihre Skepsis deutlich gemacht, dass der unionsinterne Streit schon diese Woche bereinigt werden könnte.
Aus der Unionsfraktion kommt inzwischen die Forderung, den Streit über die Migration mit einer internen Kampfabstimmung zu klären. „Bei der entscheidenden Frage, ob wir an der deutschen Grenze einzelne Personengruppen zurückweisen, wird es keinen Kompromiss geben können, da gibt es nur Ja oder Nein“, sagte der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten der „Augsburger Allgemeinen“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer sagte „Bild“: „Seit 2015 diskutieren wir über dieses Thema. Irgendwann muss man Entscheidungen treffen, notfalls auch mit einer Vertrauensfrage.“
Der Europapolitiker Gunther Krichbaum schlägt einen Kompromiss vor. „Die Bundeskanzlerin sollte auf dem Gipfel Ende Juni eine Frist von einem Jahr setzen. Wenn es bis dahin kein einheitliches, europäisches Asylsystem gibt, das auch funktioniert, müssen die nationalen Maßnahmen ergriffen werden, die Seehofer vorschlägt“, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses dieser Zeitung.
In einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin am Dienstagabend hatte Merkel laut Teilnehmern bei den Wortmeldungen keine sichtbare Unterstützung für ihre Kritik an Seehofers Plänen erhalten. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) stützte die Kanzlerin gestern: „Helmut Kohl hat vor 30 Jahren die Grenzen in Europa geöffnet und für Freizügigkeit und die Abschaffung der Grenzkontrollen gekämpft. Dieses offene Europa darf jetzt nicht gefährdet werden“, twitterte er.
Österreichs Kanzler Kurz hatte zuvor bekräftigt, während der am 1. Juli beginnenden österreichischen EU-Ratspräsidentschaft dafür sorgen zu wollen, dass die europäischen Außengrenzen im Kampf gegen illegale Migration nach Europa besser geschützt werden. Dazu setze er auf eine „Achse der Willigen“. Er nannte in erster Linie Rom, Wien und Berlin. Im deutschen Innenminister sehe er hier einen wichtigen Partner. Red
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