Frankreich: Gefährlicher Volkszorn

Die Initiatoren des Streiks haben den idealen Zeitpunkt gewählt. Während sich noch vor wenigen Tagen die Gedanken der Franzosen um friedliche Stunden am Strand und leckere Fischgerichte drehten, ist traditionell ab Septemberbeginn Schluss mit Urlaubsfreuden.

Erst jetzt ist so ein Streik wirkungsvoll.

Ob allerdings tatsächlich, wie es die Gewerkschaften wollen, heute das Land lahm liegt, wird sich zeigen. Zumindest die Lehrer, die gestern schon in den Ausstand treten sollten, taten dies nur zögerlich. Dennoch kann sich heute rasch ein Solidarisierungseffekt hochschaukeln und aus ansonsten eher zurückhaltenden Franzosen radikale Kämpfer werden lassen. Erlebt hat man das in unserem Nachbarland ja schon öfter - und das Thema Rente schürt viele Emotionen.

Doch der Volkszorn ist nicht angebracht. Das aus deutscher Sicht unglaubliche Privileg, bereits mit 60 Jahren bei guten Bezügen in Rente gehen zu dürfen, ist angesichts der stetig wachsenden Lebenserwartung schlicht unbezahlbar und verantwortungslos. Doch die angeschlagene Sarkozy-Regierung könnte, falls der Druck der Straße groß wird, einknicken. Auf Deutschland überschwappen würde solche Unvernunft hoffentlich nicht. Zum Glück sind politische Streiks hierzulande nicht üblich.

martin.vogler@wz-plus.de