Gaddafi schäumt vor Wut — und lehnt einen Rücktritt ab
In einer TV-Ansprache klammert sich der Staatschef an die Macht. Ausländer verlassen fluchtartig das Land.
Tripolis. Trotz schwindender Macht und bürgerkriegsähnlicher Zustände schließt Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi einen Rücktritt aus. „Ich bin kein Präsident, der zurücktreten kann“, sagte der vor Wut schäumende Revolutionsführer eine Woche nach Beginn des Aufstands mit vielen hundert Todesopfern in einer TV-Ansprache.
„Ich werde als Märtyrer sterben wie meine Großväter“, sagte der ganz in Braun gekleidete Oberst. Aus Furcht vor neuen Gewaltorgien startete das Ausland eine große Rückholaktion für Staatsbürger aus dem nordafrikanischen Land.
Gaddafis Gegner haben offenbar fast ganz Libyen unter ihre Kontrolle gebracht. Überall im Land seien Armee-Einheiten und Sicherheitskräfte übergelaufen, sagten ranghohe Funktionäre. Die Aufständischen beherrschten bereits 90 Prozent des Landes.
Gaddafi, der von einem halb zerstörten Gebäude aus sprach, beschimpfte seine Gegner als „Verräter“. Die Bürger sollten heute für ihn demonstrieren. Zu dem Aufstand sagte Gaddafi, eine kleine Gruppe von jungen Leuten, denen man Tabletten gegeben habe, attackierten die Polizeiwachen „wie die Ratten“. Er versprach den Libyern eine Reihe von nicht näher definierten Reformen. Die lokale Selbstverwaltung solle ausgebaut werden.
In der Nacht zu Dienstag war Gaddafi im Staatsfernsehen Gerüchten über eine Flucht entgegengetreten. „Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela“, sagt er. Während der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die wie ein Comedy-Sketch wirkte, saß Gaddafi in einem Auto und hielt einen geöffneten Regenschirm über sich.
Das Ausmaß der Gewalt blieb unübersichtlich. Die Opposition geht von bislang 560 Toten aus. Gaddafi-treue Einheiten sollen schwere Waffen und auch Kampfflugzeuge eingesetzt haben.
Aus Deutschland landeten am Dienstag ein Lufthansa-Airbus und zwei Transall-Militärtransporter in Tripolis. Erwartet wurde, dass der Großteil der etwa 400 Bundesbürger, die sich noch in Libyen aufhielten, ausreisen wollten. Auch andere Staaten wie Griechenland, Frankreich und Ägypten organisierten Evakuierungsflüge.