Gereizte Atmosphäre vor der Ukraine-Wahl
Bei einem knappen Ausgang dürfte die Situation gefährlich gespannt bleiben.
Düsseldorf. In Kiew wird der Ton vor der Präsidenten-Stichwahl am Sonntag immer gereizter. Viktor Janukowitsch, mit 35 Prozent der Sieger des ersten Wahlgangs, und seine Konkurrentin Julia Timoschenko (25 Prozent), die amtierende Premierministerin, werfen sich gegenseitig die Planung von Wahlfälschungen vor. Nachdem beide für diesen Fall schon Kundgebungen auf dem Maidan, Unabhängigkeitsplatz und Bühne der "Orangenen Revolution", angekündigt hatten, verbot das Oberste Gericht in Kiew jetzt dort alle Demonstrationen bis zum 1. März.
Wenn auch Janukowitsch in Umfragen führt, scheint der tatsächliche Ausgang der Wahl bis zuletzt unsicher. Entscheidend wird sein, wohin die Stimmen des eigentlichen Überraschungskandidaten des ersten Wahlgangs gehen. Mit mehr als 13 Prozent hatte Sergej Tihipko aus dem Stand für Furore gesorgt. Tihipko gelang es, sich als unverbrauchter Experte darzustellen, der nichts zu tun habe mit dem Polithändel, der nach der "Orangenen Revolution" das Land ins Chaos gestürzt hatte.
Janukowitsch und Timoschenko umwerben seither Tihipko, der aber erklärt, seine Wähler seien klug genug, selber zu entscheiden. Er, Tihipko, könne mit beiden als Ministerpräsident zusammenarbeiten.
Der Mann hat Selbstbewusstsein. Dabei ist Tihipko kein Unbekannter in der ukrainischen Politik. Der ehemalige Komsomol-Chef von Djnepropetrowsk war Minister und Zentralbankchef, bevor er 2004 Janukowitsch als Wahlkampfchef diente. Das hinderte Timoschenko nicht, Tihipko - den Mann also, der für die angeblichen Wahlfälschungen verantwortlich gewesen sein sollte - im Jahr 2008 zu ihrem Berater zu machen.
Tihipko hat seine Stimmen vor allem unter gebildeteren Schichten im russischsprachigen Osten und Süden der Ukraine geholt. Umfragen zeigen, dass 56 Prozent seiner Wähler Janukowitsch, 44 Prozent Timoschenko zuneigen. Tihipkos vermeidet jede Wahlempfehlung, um seine ohnehin gespaltene Wählerschaft nicht durch einseitige Parteinahme zu verprellen.
Umso heftiger aber werben Timoschenko und Janukowitsch um diese Stimmen. Timoschenko bot jüngst in einer Video-Schaltung nach Davos Tihipko versehentlich gar "den Posten des Präsidenten" an. Das war zwar sehr lustig, zeigte aber auch, wie verzweifelt in Kiew um den Sieg gerungen wird.
Beobachter hoffen auf ein klares Ergebnis mit mehr als fünf Prozentpunkten Vorsprung für einen der Bewerber. Bleibe die Differenz unter drei Punkten, werde die unterlegene Seite die Wahl nicht anerkennen und durch organisierte Straßenproteste in Frage stellen. Aber auch das wäre nichts Neues für die Ukraine.