71 000 im Warnstreik in NRW - aber das Chaos bleibt aus

Verdi erhöht den Druck: Zum zweiten Mal binnen zwei Wochen ist am Mittwoch eine Warnstreikwelle über Nordrhein-Westfalen hinweggerollt. Wieder standen Busse und Bahnen still. Kitas waren geschlossen. Doch das befürchtete Chaos blieb aus.

Düsseldorf/Köln/Essen (dpa). Bei der zweiten Warnstreikwelle in Nordrhein-Westfalen hat die Gewerkschaft Verdi die Gangart deutlich verschärft. Rund 71 000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes traten am Mittwoch nach Verdi-Angaben in einen 24-Stunden-Warnstreik. Das waren 16 000 mehr als vor zwei Wochen. Der öffentliche Nahverkehr war - bis auf Züge der Deutschen Bahn - weitgehend lahmgelegt. Das befürchtete Verkehrschaos blieb aber aus. Auch ein viele städtische Kitas waren geschlossen. Der Müll wurde nicht abgeholt.

Der Ausstand im bevölkerungsreichsten Bundesland war der vorläufige Höhepunkt der neuen bundesweiten Streikwelle. Am Donnerstag sind die Beschäftigten in Baden-Württemberg und den Ost-Bundesländern zum Streik aufgerufen.

Trotz verhärteter Fronten hoffen die Arbeitgeber auf eine Einigung bei der nächsten Verhandlungsrunde ab 28. März in Potsdam. „Wir wollen beim nächsten Verhandlungstermin zu einer Einigung kommen. Das setzt Kompromissbereitschaft auf allen Seiten voraus“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Manfred Hoffmann.

Verdi-Chef Frank Bsirske drohte bei der zentralen Kundgebung in Köln vor fast 20 000 Teilnehmern nochmals mit einem unbefristeten Streik. Wenn es kommende Woche nicht zu einer Einigung komme, dann hießen die nächsten Schritte Urabstimmung und Arbeitskampf. „Wir blicken zurück auf ein Jahrzehnt mit Reallohnverlust“, sagte Bsirske. „So darf es nicht weitergehen.“

Die Gewerkschaft fordert für die bundesweit rund zwei Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Kommunen und beim Bund 6,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro. Die Arbeitgeber bieten bisher für zwei Jahre 3,3 Prozent. Allein in NRW betrifft der Tarifkonflikt laut Verdi fast 580 000 Beschäftigte.

In den Großstädten Düsseldorf und Köln sowie in den Ruhrgebietsmetropolen traten Bus- und Straßenbahnfahrer mit Beginn ihrer Frühschicht gegen 3.00 Uhr in den Ausstand. „Bei den Straßenbahnen fahren 100 Prozent nicht. Die Bahnen stehen still“, sagte Torben Seebold, Verdi-Sprecher bei den Kölner Verkehrsbetrieben. In Düsseldorf streikten rund 700 Fahrer von Bussen, Straßen- und U-Bahnen. S- und Regionalbahnen fuhren aber weiter. U-Bahn-Stationen und Bushaltestellen waren wie leergefegt.

Auf den Straßen sei die Staulage „eigentlich wie üblich“, sagte ein Sprecher der Landesleitstelle. Beim ersten Streik am 7. März habe es dagegen ein Drittel mehr Staus als gewöhnlich gegeben. Offenbar seien viele Pendler früher gestartet und hätten sich auf den Streik eingestellt.

Am Essener Hauptbahnhof trafen sich Pendlergemeinschaften. „Wir haben ja jetzt ein wenig Übung darin und haben frühzeitig im Büro eine Fahrgemeinschaft gebildet“, sagte Sabine Jakobi. Auch Taxen hatten Hochkonjunktur. „Wir hatten gestern sehr viele Vorbestellungen und heute enormen Andrang“, sagte Taxi-Essen-Geschäftsführer Albert Mertens.

Während in Duisburg mehr als die Hälfte der 76 städtischen Kindertagesstätten geöffnet blieben, traf der Streik Dortmund härter: Dort hatten nur drei von insgesamt 109 kommunalen Kindergärten geöffnet. In Düsseldorf arbeiteten viele Kitas nur im Notdienst.

Schwierig war die Lage für berufstätige Eltern in Köln: Von 225 städtischen Kitas waren fast 160 ganz geschlossen und die übrigen nur eingeschränkt geöffnet. Auch in Münster blieb knapp die Hälfte der kommunalen Kitas dicht. In Münster wie auch anderen Städten gab es aber Notbetreuungen für Kinder.

Aufführungen der Theater in Düsseldorf und Bochum wurden wegen des Streiks abgesagt. Bestreikt wurden auch Stadtverwaltungen, Schwimmbäder, Sparkassen und Jobcenter. In kommunalen Krankenhäusern und Altenheimen gab es Notfalldienste.