Abschaltung des Atomkraftwerks Tihange: Laschets erfolglose Reise nach Belgien
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wollte sich in Belgien bei Premier und König für die Abschaltung des Atommeilers Tihange einsetzen. Das Ergebnis allerdings ist nicht weniger als ernüchternd.
Brüssel. Am Tag, an dem Armin Laschet nach Belgien kommt, ist man dort schon vorbereitet. Der NRW-Ministerpräsident hat pünktlich zur Dienstreise ins Nachbarland ein Drei-Seiten-Interview in „De Standaard“ gegeben, mit großen Bildern des Landesfürsten in einer der prominentesten belgischen Tageszeitung. In dem Gespräch hat er deutlich gemacht, worum es beim Besuch in Brüssel gehen soll: Um den Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen „im gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Belgien, den Niederlanden und Luxemburg“. Natürlich. Aber eigentlich geht es ihm fern des diplomatischem Geplänkels um etwas anderes: Laschet will den Risiko-Atommeiler Tihange bei Lüttich, nur rund 70 Kilometer von Aachen entfernt, mit diplomatischem Geschick seinem baldigen Ende zuzuführen.
Laschet also wildert auf belgischem Staatsgebiet. Das kommt nicht bei jedem gut an im Nachbarland, wo es den Menschen vorwiegend um Energie-Versorgungssicherheit und bezahlbare Strompreise geht, aber viel weniger um Reaktorsicherheit - so jedenfalls der Eindruck vor Ort in Brüssel. Eine folgenreiche Erkenntnis,die Laschet selbst nach einem Gespräch am Nachmittag mit dem belgischen Premierminister Charles Michel bestätigt sieht: Die viel zitierte „German Angst“ hat kein belgische Pendant. Man könnte auch sagen: Die deutschen Bedenken interessieren hier nicht. Hätte man dafür nach Belgien reisen müssen?
Von den Nervositäten im Aachener Grenzgebiet und weit hinein nach NRW, wo schon vor Monaten Jodtabletten für den Reaktorfall verteilt worden sind, ist man hier weit entfernt. Die sieben belgischen Meiler sollen nach einer Vereinbarung von 2003 bis 2025 am Netz bleiben. Womöglich sogar länger, hieß es zuletzt, damit Belgien seine akzeptable CO2-Bilanz so wenig gefährde wie den Wettbewerbsvorteil von günstigem Strom - etwa gegenüber Deutschland.
In dieser Gemengelage reiste Laschet am Dienstag um 7 Uhr von einer Autobahnraststätte hinter Aachen nach Belgien. Es sollte ein Signal von diesem 16-Stunden-Trip ausgehen, bei dem der 57-Jährige die flämischen und wallonischen Ministerpräsidenten Geert Burgeois und Willy Borsus, den belgischen Premier Michel und selbst König Philippe II traf. Natürlich für gute Bilder. Aber auch für eine diplomatische Offensive. Tenor: Seht her, was wir alles unternehmen, um die Ängste unserer deutschen Bürger aufzufangen.
Am Ende des Tages allerdings kehrt Laschet mit leeren Händen zurück. Abgeblockt. Auf Granit gebissen. Im einstündigen Gespräch mit Premier Michel ist es zu keinerlei Annäherung gekommen. „In der Tat war es ein ehrliches, direktes und sehr klares Gespräch“, gestand Laschet noch im Amtssitz des Premiers, das Gesicht sieht angestrengt aus. Eine Gefahr, die von Tihange ausgehe, erkennt Michel nicht, berichtete Laschet, weil Michel zum Statement wegen Folgeterminen nicht erscheinen mag. Allenfalls gestand der Premier der Partei Mouvement Réformateur der NRW-Delegation zu, künftig noch detaillierter Einblick nehmen zu können in die Sicherheitsberichte der kritischen Blöcke Tihange 2 und auch Doel 3 (bei Antwerpen) um die es in der seit Monaten schwelenden Diskussion wesentlich geht.
Selbst auf die geäußerte Sorge des Ministerpräsidenten, „ständig abgeschaltete Kraftwerke“ würden bei ihm „kein Gefühl der Sicherheit“ hinterlassen, entgegnete die belgische Energieministerin Marie-Christine Marghem: Gerade die Abschaltung weise nach, wie sicher das Atomkraftwerk arbeite. Man könne, so die Ministerin lapidar, bei Bedenken offensichtlich jederzeit reagieren.
Man darf diesen Nachmittag in der Tat als klare Absage an Laschets belgische Pläne werten. Zumal Michel auch noch ganz nebenbei anmahnte, Deutschland solle sich um die eigene Einhaltung der Klimaziele kümmern. und immerhin hatte Laschet seine Idee zuvor öffentlichkeitswirksam platziert, den Tihange-Strom mit einem Energie-Mix aus NRW zu ersetzen und über eine vorhandene und eine zweite noch zu erstellende Leitung nach Belgien zu liefern, die zusammen sukzessive bis 2025 in benötigtem Umfang liefern könnten. Es handele sich um einen Mix aus Braunkohle, Steinkohle und erneuerbaren Energien, hatte Laschet gesagt und sich angesichts der lauten Kritik am Braunkohle-Anteil zur Aussage hinreißen lassen: „Dem Strom sieht man nicht an, aus welcher Quelle er kommt.”
Am Ende befand Laschet derart in die Schranken gewiesen, man werde noch „einen weiteren Dialog“ brauchen. „Jedes Land sagt, wir haben unsere eigene Energiepolitik.“ Die strittigen Fragen müssten nun geklärt werden, es soll weitere Gespräche geben, wesentliche Ergebnisse aber muss man nach diesem ernüchternden Tag für alle Tihange-Gegner nicht erwarten. Kommende Woche reist auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zu Gesprächen nach Brüssel. Er soll nach Worten Laschets einen „strukturierten Dialog“ voranbringen.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Monika Düker hatte in der Düsseldorfer Heimat ihre Häme für den Ministerpräsidenten schnell bei der Hand: „Außer Spesen nichts gewesen. Die hohen Erwartungen, die Armin Lascht mit seinen vollmundigen Ankündigungen geweckt hat, sind komplett in sich zusammen gefallen.”