Streit um Flüchtlings- und Migrationspolitik AfD: Kirchenvertreter wie Käßmann reden "grandiosen Stuss"

Die AfD und die Kirchen streiten miteinander. Im Kern geht es um die Flüchtlings- und Migrationspolitik. Eine Annäherung scheint unmöglich.

Die Theologin Margot Käßmann - hier auf dem Kirchentag in Berlin - hat den Zorn der AfD auf sich gezogen.

Foto: Peter Gercke

Berlin. Es waren volle Breitseiten, die ein Teil der AfD-Führung am Montag in Berlin gegen die beiden großen Kirchen abfeuerte. Zahlreiche Dialogangebote seien „brüsk“ abgelehnt worden, wetterte Co-Chef Jörg Meuthen, das sei „gänzlich unbiblisch“. Kirchenobere wie Margot Käßmann würden zudem „grandiosen Stuss“ reden. Eine Partei fühlt sich ungerecht behandelt und bewusst missverstanden. Ist das Tischtuch zwischen AfD und Kirchen endgültig zerschnitten?

Fakt ist: Die Haltung der „Alternative für Deutschland“ in der Flüchtlings- und Migrationspolitik ist für die beiden Konfessionen unchristlich, für die AfD aber nach eigenem Bekunden „verantwortungsethisch“ notwendig. Die Kirchen würden lediglich „medial kolportierte Vorurteile“ übernehmen, kritisierte Meuthen. Man sei schließlich nicht dagegen, „echten Flüchtlingen“ zu helfen „und christliche Barmherzigkeit zu zeigen“. Man wende sich aber gegen eine unkontrollierte Massenimmigration.

Die Kirchen glauben an diese spezielle AfD-Form der Nächstenliebe freilich nicht. Und daraus machen sie schon länger keinen Hehl. „Unser Kreuz hat keine Haken“ - in dieser scharfen Weise riefen der katholische und evangelische Klerus vor wenigen Wochen zu Protesten gegen den AfD-Parteitag in Köln auf. Im Gegenzug forderte der niedersächsische Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel danach die christlichen Parteimitglieder dazu auf, aus der Kirche auszutreten. Ein Forderung, die Hampel gestern nicht wiederholen wollte. Im Gegenteil: Es sei offenbar an der Zeit, dass die Mitglieder „in Massen“ einträten, um den Kirchen zu zeigen, dass sie auf dem falschen Weg seien.

So geht es also hin und her. Die Fronten scheinen verhärtet. Nicht zuletzt, weil auf dem evangelischen Kirchentag am Wochenende aus AfD-Sicht ein weiterer Aufreger hinzugekommen ist: So hatte die Theologin und Reformationsbotschafterin Margot Käßmann die familienpolitischen Pläne der AfD in die Nähe der Rassenideologie der Nazis gerückt. Meuthen betonte, das sei „infam“ und entbehre jeder Grundlage. „Man könnte das schon fast als krank bezeichnen“, sagte er in Richtung Käßmann.

Kaum eine Rolle spielt da offenbar noch, dass es bei der Veranstaltung auch zu einem ersten vorsichtigen Versuch eines Dialogs kam. So durfte die Bundesvorsitzende der Vereinigung „Christen in der AfD“, Anette Schultner, auf dem Kirchentag mit dem Berliner Bischof Markus Dröge diskutieren. Dröge erklärte dabei mit Blick auf den Anti-Asyl-Kurs der Partei: „Ich kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt.“ Schultner kritisierte gestern, sie sei wie eine politische Gegnerin behandelt worden. Sie störe, dass die Kirchen „insgesamt sehr linkspolitisch orientiert sind“. Immerhin, es gab die Debatte. Beim Katholikentag in Leipzig vor einem Jahr waren AfD’ler noch ausgeladen worden.

Und nun? Neue Annäherungsversuche sind bisher nicht geplant. „Von meiner Seite ist das Tischtuch keinesfalls zerschnitten“, betonte Schultner jedoch. Meuthen erklärte zwar, er überlege, aus der katholischen Kirche auszutreten. Die Dialogbereitschaft bleibe aber bestehen. Allerdings ist die AfD programmatisch nicht gerade auf Kuschelkurs: So will sie die Bezahlung von Kirchenrepräsentanten aus Steuermitteln abschaffen. An die Kirchensteuer wolle man aber nicht ran, wie Meuthen beteuerte. Auf dem Parteitag der AfD war ein entsprechender Antrag schon gescheitert.