Parteitag in Braunschweig AfD würde von politischem Amoklauf namens vorgezogene Neuwahlen profitieren

Meinung | Braunschweig · SPD und Union zerreiben sich weiter selbst, während die AfD auf ihrem Parteitag in Braunschweig beweist, dass sie aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.

Björn Höcke (r.) freut sich beim Parteitag der AfD nach der Wahl von Andreas Kalbitz zum Beisitzer im Bundesvorstand der AfD.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Die GroKo-Parteien sind ja in diesen Tagen sehr mit sich selbst beschäftigt. Man ist irgendwie unzufrieden mit sich und der Welt, man will irgendwie den eigenen Niedergang stoppen. Und weil man keinen anderen Weg sieht, wächst die Lust auf einen politischen Amoklauf namens vorgezogene Neuwahlen. Am vergangenen Wochenende, als die SPD ihre Urwahl entschied und in der CDU immer noch die Debatte anhielt, ob Annegret Kramp-Karrenbauer eine geeignete Kanzlerkandidatin ist, hätten beide Parteien ihre Aufmerksamkeit allerdings besser woanders hin gerichtet: Nach Braunschweig, zur AfD.

Die wartet nämlich schon. Alexander Gaulands Satz, dass der Tag kommen werde, da eine geschwächte CDU nur noch eine Machtoption habe, nämlich die AfD, ist in einigen Bundesländern schon jetzt nicht falsch. In Braunschweig hat sich die AfD zum ersten Mal als erwachsene, professionalisierte Partei präsentiert. Sie hat die üblichen Intrigen und Personalquerelen stark zurückgefahren und eine Art innerer Balance gefunden.

Mit dem rechtsradikalen „Flügel“ von Björn Höcke gibt es ein Arrangement: Machtteilung gegen Zurückhaltung. Wichtige inhaltliche Klärungen blendet die Partei einfach aus, wohlwissend, dass viele Menschen selbst einen Besenstil mit AfD-Aufschrift wählen würden, sofern der nur weniger Flüchtlinge und billigeres Benzin verspricht und sie nicht mit komplizierten Konzepten irritiert.

So ist derzeit zum Beispiel noch immer offen, ob die Partei die gesetzliche Rentenversicherung abschaffen oder im Gegenteil ausbauen will. Egal. Bei vorgezogenen Neuwahlen würden die Rechtspopulisten weiter zulegen und wohl mindestens 15 Prozent erreichen. Wahrscheinlich mehr als die einstige Volkspartei SPD, in der einige am Samstag so selbstvergessen-glücklich mit dem Ergebnis ihres monatelangen Urwahl-Verfahrens waren.