Interview AfD-Spendenaffäre: „Weidel trägt die politische Verantwortung“

Berlin · Lobbycontrol-Experte Müller zur Spendenaffäre um die AfD-Fraktionschefin.

Ulrich Müller, geschäftsführender Vorstand bei Lobby Control

Foto: Lobbycontrol

Ulrich Müller recherchiert seit zwei Jahren für Lobbycontrol über die verdeckte Wahlkampffinanzierung der AfD und hat schon im letzten Herbst ein Dossier dazu veröffentlicht. Der Politikwissenschaftler aus Köln sprach mit unserer Zeitung über die Spendenaffäre um AfD-Fraktionschefin Alice Weidel.

Herr Müller, Lobbycontrol fordert Alice Weidels Rücktritt. Warum? Sie sagt, sie hat von der Spende nichts gewusst. Die ging an den Kreisverband.

Ulrich Müller: Sie ist die namentlich Begünstigte der Spende und stellvertretende Kreisvorsitzende. Dass sie nichts gewusst haben will, ist wenig glaubhaft. Außerdem: Im September hat sie von dem Geld erfahren, und trotzdem wurde es erst im April zurücküberwiesen. Die AfD ist mit dieser Spende nicht korrekt umgegangen.

Was wäre korrekt gewesen?

Müller: Die Regeln sind klar und einfach. Sie hätte das Geld entweder sofort zurücküberweisen müssen, weil Spenden aus dem Ausland illegal sind. Die Alternative wäre später eine Überweisung an die Bundestagsverwaltung und Selbstanzeige gewesen. Offensichtlich wollte man das Ganze aber unter dem Teppich halten. Dafür trägt Weidel die politische Verantwortung. Das kann man nicht nur den Schatzmeistern anhängen.

Wissen Sie, wer der anonyme Geldgeber aus der Schweiz ist, der hinter den 130 000 Euro für Weidel steckt?

Müller: Nein, das ist genauso offen wie die Geldgeber der millionenschweren verdeckten Wahlkampffinanzierung, mit der der AfD schon seit Jahren geholfen wird, auch ihrem Parteisprecher Jörg Meuthen.

Haben Sie eine Vermutung?

Müller: Es gibt Hinweise auf die Schweiz, weil eine dortige PR-Firma beteiligt ist, aber die Schweiz kann auch nur Transferstation sein. Auffällig ist, dass mit Meuthen und Weidel zwei prominente Wirtschaftsliberale in der AfD besonders bedacht werden. Vielleicht hängt das bei den beiden mit bestimmten Positionen wie der Abschaffung der Erbschaftsteuer zusammen. Möglich wären rechte Oberschichtsnetzwerke, die an bestimmten Positionierungen der AfD ein Interesse haben.

Indirekte Wahlkampfhilfen durch Vereine gab es zum Beispiel im Landtagswahlkampf 1998 von Gerhard Schröder auch schon.

Müller: Ja, und das war genauso verwerflich. Wahlkämpfe sind ein zentrales Element der Demokratie, und da müssen die Wählerinnen und Wähler wissen, wer Unterstützerkampagnen finanziert und wem eine Partei sich womöglich zu Dank verpflichtet fühlt. Das ist zentral für eine Demokratie. Hier existiert im deutschen Parteienrecht eine riesige Lücke, die sich gerade die AfD zunutze macht. Übrigens mit ungleich größeren Summen als damals bei Schröder. Wir reden bei der AfD über einen zweistelligen Millionenbetrag.

Hat die Bundestagsverwaltung auf ihre Hinweise reagiert?

Müller: Bei der Verwaltung laufen mehrere Prüfverfahren. Aber es bräuchte mehr Personal und eine bessere rechtliche Handhabe. Das Parteiengesetz muss deutlich nachgeschärft werden. Bei Wahlkampagnen durch Dritte müssen die Geldgeber offengelegt werden. Notwendig ist zudem eine Obergrenze sowohl für direkte Parteispenden als auch für indirekte Unterstützung, damit nicht finanzstarke Akteure die Politik beeinflussen können. Und schließlich brauchen wir mehr Möglichkeiten für die Bundestagsverwaltung. Dazu gehören umfangreichere Auskunftspflichten der Parteien und verschärfte Strafregelungen. Der Abschreckungseffekt des Parteiengesetzes ist zu gering.